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Olympia 2004 Olympia 2004: Familäre Weltspitze

Von Ines Reichelt 18.02.2004, 17:07
Anja Dittmer freut sich nach ihrem Sieg beim Triathlon-Weltcup (Foto: dpa).
Anja Dittmer freut sich nach ihrem Sieg beim Triathlon-Weltcup (Foto: dpa). dpa

Hamburg/dpa. - Anja Dittmer ist stolz auf ihren großen Bruder.Nur manchmal findet sie es «erschreckend», wie erfolgreich Andreasüber die Rennstrecken dieser Welt paddelt. «Dann sagt er glatt zumir, warum gewinnst du nicht auch mal?» Als ob das so einfach wäre.

Der 31 Jahre alte Canadier-Fahrer Andreas Dittmer ist seit seinemOlympiasieg vor vier Jahren bei wichtigen Wettkämpfen über 1000 mungeschlagen. Die drei Jahre jüngere Triathletin Anja schaffte erstim vergangenen Jahr mit drei Weltcupsiegen nacheinander den Sprung indie Weltspitze. Doch bei der Weltmeisterschaft Anfang Dezember inNeuseeland kam sie nicht ins Ziel und verpasste so die direkteQualifikation für Athen. Und das vor den Augen ihres Bruders, der vomTrainingslager aus Australien nach Neuseeland herüber gekommen war.«Es hat mich umso mehr gegrämt, dass ich erstmals seit sechs Jahrenwieder ein Rennen aufgeben musste», erzählt Anja.

Die Dittmers kommen aus Mecklenburg, und sie sind wie vieleMenschen dort: bescheiden und zurückhaltend. Für die Vermarktungihrer Sportarten, die nicht im Fokus der Öffentlichkeit stehen, istdas nicht gerade ein Vorteil. «Ich bin eben nicht der Typ, der sichjede Woche die Haare anders färbt oder sich die Hose runter reißt»,sagt Andreas Dittmer. Er gilt als «Mr. Zuverlässig». Nicht nur beimKanu fahren.

Seit elfeinhalb Jahren ist er mit seiner Freundin Rabea zusammen,mit der er an der Müritz gerade ein Haus baut. Solide finanziertnatürlich, denn im Hauptberuf ist Andreas Dittmer Bankkaufmann beider Sparkasse Neubrandenburg-Demmin. Vor den Olympischen Spielen ister von seinem Job ein halbes Jahr freigestellt. Anders könnte er seingewaltiges Trainingspensum auch nicht bewältigen. Auf die knapp 5000Kilometer, die er pro Jahr paddelt, hat er vor Athen noch 15 bis 20Prozent draufgepackt. Am Ende soll das eine Leistungssteigerung vonzwei Prozent bringen.

«Viele machen eine Ruderbewegung, wenn ich erzähle, dass ichKanute bin. Ich erkläre dann immer, dass Kanu fahren von denIndianern kommt, dass ich quasi der schnellste Indianer der Weltbin», erzählt Andreas Dittmer. Weil er ein Ausnahmeathlet ist, darfer auch eigene Wege gehen. Bei der ersten internen QualifikationAnfang Mai auf der Olympia-Strecke in Athen muss er nur noch einenLeistungsnachweis bringen. Bei seiner Schwester ist es ähnlich. Siehat genügend Weltranglisten-Punkte und dürfte auf jeden Fall zu denmaximal drei Frauen gehören, die die Deutsche Triathlon-Union nachAthen schicken kann.

Die Sportsoldatin, die nebenher Sportmanagement studiert, lebt inStuttgart mit Stephan Vuckovic zusammen, der beim olympischenTriathlon-Debüt in Sydney die Silbermedaille gewonnen hat. Einselbstbewusster Einzelgänger, aus dessen Zuversicht auch sie ihreEnergie zieht. «Er ist der totale Optimist in unserer Beziehung, ichbin eher vorsichtig und pessimistisch», sagt die 28-Jährige über diePartnerschaft, die selbst eine längere Krise überlebte.

Den Großteil ihres Schwimm-Rad-Lauf-Pensums bewältigt Anja Dittmermit der Nationalmannschaft am Olympiastützpunkt in Saarbrücken. Wennsie eine Auszeit braucht, trainiert sie allein mit ihremLebensgefährten. Sie ist längst nicht so offensiv wie er, wenn es umsportliche Träume geht, sagt nur: «Der Weg ist das Ziel.»

Sie will es auf jeden Fall besser machen als in Sydney, wo sie 18.wurde. Einen Aufsehen erregenden Auftritt hatte sie trotzdem. BeimOlympiasieg ihres Bruders sprang sie in den Lake Penrith, schwamm zuseinem Boot und reichte ihm eine deutsche Fahne. «Ich sah plötzlichein Paar Arme durchs Wasser wirbeln», erzählt Andreas. «Das konntenur meine Schwester sein.» Natürlich wird er sich etwas einfallenlassen, sollte Anja in Athen der große Wurf gelingen. «Ich traue ihrjedenfalls alles zu», sagt Andreas. Und er ahnt, was seine kleineSchwester von ihm erwartet: «Diesmal», meint sie, «könnten bei ihmsogar zwei Goldmedaillen drin sein.»