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Nationalmannschaft Nationalmannschaft: Löw streicht Quartett aus dem EM-Kader

Von CHRISTIAN OEYNHAUSEN 28.05.2012, 15:49

TOURETTES/MZ. - Beim zweiten Training ist der Platz schon wieder etwas leerer: Für vier der jungen Männer ist der EM-Traum am Nachmittag vorbei. Beim Training um 17.30 Uhr fehlen Cacau (VfB Stuttgart), Julian Draxler (Schalke 04), Sven Bender (Borussia Dortmund) und Marc-André ter Stegen, der junge Torwart aus Mönchengladbach, der dieses Pfingstwochenende 2012 nie vergessen wird. Stark trainiert, dann fünf Gegentore bei seinem Länderspiel-Debüt in der Schweiz am Samstag und schließlich das EM-Aus.

Löw hat sich also entschieden - knapp 18 Stunden vor dem offiziellen Meldeschluss bei der Uefa. Von den ursprünglich als Streichkandidaten gehandelten Spielern hat es der Dortmunder Ilkay Gündogan ins Aufgebot für das Turnier in Polen und der Ukraine geschafft. Es war eine schwere Entscheidung für Löw, denn anders als bei der WM 2010 in Südafrika hat ihm nicht das Verletzungspech den Umgang mit Härtefällen erspart. Damals funktionierte die Auslese ja nach dem Prinzip: Wer ist denn noch übrig? Ballack, Adler, Rolfes, Westermann, Träsch - alle verletzt.

Diese Sorgen hat Löw diesmal nicht. Es ist bisher eine bemerkenswert unfallfreie Vorbereitung. Leichte Wehwehchen bei Miroslav Klose, Jerome Boateng und Bastian Schweinsteiger, sonst nichts. Das Thema waren bisher eher die seelischen Beschwerden, die die Bayern aus der Champions League mitgebracht haben. Diese Leiden sieht man nicht. In Tourrettes werden die Bayern noch vor Fragen zum Thema abgeschirmt. Mittelfeldspieler Thomas Müller (22) aber hat einer Zeitung mitgeteilt, wie er die Sache sieht: "Trotz einer schmerzhaften Niederlage gehst du mit viel Selbstvertrauen zur Nationalmannschaft. Weil du weißt, dass du auf dem absoluten Top-Level mithalten kannst, dich vor niemandem zu verstecken brauchst."

Die Kollegen zählen darauf, dass die Bayern bald funktionieren. Mittelfeldspieler Sami Khedira von Real Madrid erstellt auf Wunsch eine Art seelischen Tastbefund für Bastian Schweinsteiger, den mutmaßlich Unglücklichsten von allen, den Elfmeter-Fehlschützen vom Champions-League-Finale: "Ich kann nicht in die Köpfe der Bayern-Spieler hineinschauen. Aber er redet normal, er isst normal und ich glaube, er schläft auch normal."

Jetzt fehlt nur noch, dass er wieder in normaler Form Fußball spielen kann. Eine von vielen Erklärungen für das vogelwilde 3:5 vom Samstag in der Schweiz ist ja die Abwesenheit der Bayern. Nicht nur die Schweinsteigers. Aber gerade im defensiven Mittelfeld wurden Ordnungssinn und strategisches Verständnis des Vize-Kapitäns vermisst. Löws sehr offensive Ausrichtung mit Mario Götze funktionierte nur in den ersten zehn Minuten. Dann schwanden dem Hochbegabten aus Dortmund die Kräfte. "Es geht nicht nur mit jungen, talentierten Spielern. Man braucht auch Ruhe, Gelassenheit, Turniererfahrung", sagt Khedira.

Diese Eigenschaften sind im Kader durchaus vertreten, wenn die Bayern ihrer Hoffnungsträger-Rolle gerecht werden und wenn der Trainerstab Per Mertesacker und Miroslav Klose in eine turniergerechte Verfassung bringt. Deshalb empfiehlt Khedira auch ein mittleres Level an Empörung über die erste Niederlage gegen die Schweiz seit 56 Jahren: "Natürlich macht man sich Gedanken, man kann es nicht komplett ignorieren. Aber man sollte sich nicht verrückt machen lassen."

Der Bundestrainer schwankte zwischen Gelassenheit nach und offenem Zorn während der Partie angesichts des konfusen Defensiv-Verhaltens: "Die Defensivleistung war nicht berauschend. Aber es macht mir keine großen Sorgen, weil ich weiß, dass wir uns bis zur EM eindeutig verbessern werden."