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Multimedia Multimedia: Der Großmeister im Schrank: Schach am Computer

09.02.2004, 14:09
Digitales Trainingslager - Schachprogramme dienen der Übung. Mit ihrer Hilfe lassen sich zahlreiche Partien analysieren und das eigene Spiel verbessern. (Foto: dpa)
Digitales Trainingslager - Schachprogramme dienen der Übung. Mit ihrer Hilfe lassen sich zahlreiche Partien analysieren und das eigene Spiel verbessern. (Foto: dpa) Chessbase

Hamburg/München/dpa. - Es gilt als Spiel der Könige: Schach. Weil die 32 Figuren sich nur auf 64 Feldern nach genau festgelegten, Jahrtausende alten Regeln bewegen, haben sich bereits früh in der Entwicklungsgeschichte künstlicher Intelligenz Programmierer dieses Strategiespiels angenommen. Schachprogramme gab es sogar schon vor der Entwicklung moderner PCs. Doch damit waren die Möglichkeiten des Spiels noch nicht ausgereizt - erst durch moderne Prozessoren haben Schach spielende Rechner eine kaum zu steigernde Perfektion erreicht.

Seitdem im Februar 1996 zum ersten Mal der damals amtierende Schachweltmeister Garry Kasparow unter Turnierbedingungen gegen einen Computer verlor, haben die Rechenmaschinen auf dem schwarz-weißen Spielbrett das Zepter übernommen: «Der normale Mensch hat heute keine Chance mehr», sagt André Schulz von ChessBase in Hamburg, dem weltweiten Marktführer bei Schachsoftware. Großmeister könnten gegen die Programme höchstens mal ein Remis erreichen. Gar auf einen Sieg hoffen dürften nur die Top Fünf der Welt.

Der Siegeszug der Schachsoftware fußt auf der enormen Leistungssteigerung der Mikrochips. Die Rechner sind schneller geworden und schaffen heute in der gleichen Zeit ein Vielfaches der Rechenoperationen früherer Tage. Aber auch die Programme selbst sind leistungsfähiger: Partien von alter gegen neuer Software bei gleicher Hardware zeigen ihre Evolution. Viele Detailverbesserungen haben zu einer Suchtiefe - der Zahl der vorausberechneten Züge - geführt, von der Menschen nur träumen können.

Im Eröffnungsspiel - den ersten 10 bis 20 Zügen - spulen moderne Programme heute ohne «nachzudenken» einen von rund zehn Millionen in einer Datenbank gespeicherten Zügen ab. Und sind am Ende nur noch insgesamt fünf Figuren auf dem Brett, habe der Mensch ohnehin keine Chance mehr, erklärt Dieter Steinwender, Chefredakteur der in Hamburg erscheinenden Zeitschrift «Computer-Schach und Spiele»: «Das Programm ist dann unfehlbar. Es spielt wie Gott.» Durch Rückwärtsberechnung der Züge seien alle denkbaren Konstellationen und Züge gespeichert. Nur im Mittelspiel kommt der rechnende, spielende Teil zum Einsatz.

Masochisten, die sich bei aussichtslosen Duellen mit der Rechenmaschine martern, sind die Käufer der Schachprogramme aber auch nicht, so Steinwender. Die übermächtigen Programme dienen ihnen mehr als Ratgeber denn als Gegner: «Jeder möchte so einen Großmeister im Schrank haben. Den kann man mitten in der Nacht fragen. Viele nutzen die Programme zu Analysezwecken.» Und wer unbedingt eine Partie spielen will, schaltet einfach den Sparring-Modus ein - das Programm passt sich dann automatisch der Spielstärke seines Gegenübers an.

Der Markt der Schachprogramme ist laut Steinwender sehr übersichtlich: «Es gibt praktisch nur die Firma ChessBase.» Die einzige ernsthafte Konkurrenz seien «Chessmaster 9000» von Ubisoft und «Rebel 12» von Lokasoft aus den Niederlanden. Zum Portfolio von ChessBase gehören unter anderem die mit WM-Titeln dekorierten Programme «Shredder 8» (49,99 Euro) und «Deep Fritz 8» (99,90 Euro).

Den neuesten Trend beim Computerschach stellen Lernprogramme und Online-Schach dar: «Schach ist geradezu prädestiniert für das Internet», sagt Steinwender. Bevor sich die Spieler aber über einen Fernschachserver einem Gegner aus Russland oder China stellen, trainieren sie vielleicht gezielt ihr Mittelspiel, das Endspiel oder die Eröffnung: «Elektronische Schachbücher erklären die Konzepte, die auch gleich nachgespielt werden können.» Vergleichsweise bequem gehe das zum Beipspiel mit den CDs der Reihe «Chess Multimedia», so Steinwender.

Während diese E-Books sich an Erwachsene richten, können Kinder ab acht Jahren mit dem Spiel «Fritz und Fertig», das der Terzio-Verlag in München in Zusammenarbeit mit ChessBase entwickelt hat, die Regeln des Spiels lernen. Dass es dabei um Schach geht, merkt der Spieler allerdings anfangs nicht: Prinz Fritz wird in dem Spiel vom König Schwarz zu einer Partie Schach herausgefordert, während er den weißen König auf dem Thron vertritt. Weil er die Regeln nicht kennt, geht er ins Trainingslager. Dort lernt er mit Hilfe verschiedener Spiele - die scheinbar nichts mit Schach zu tun haben, wie die Figuren sich bewegen und was Patt, Matt oder ein Remis ist. «Fritz und Fertig - Schach lernen und trainieren» kostet 36 Euro.

So auf eine Schachspieler-Karriere vorbereitet, erreicht mancher vielleicht eines Tages die Klasse, im Duell mit dem Computer die Menschheitsehre zu retten. Denn trotz der Überlegenheit der Maschinen ist die Lage nicht hoffnungslos: «Man muss den Rechner anfangs durch scheinbar sinnlose Züge aus der Datenbank werfen und im Mittelspiel gewinnen, bevor nur noch fünf Figuren übrig sind», sagt Steinwender.