Motorsport Motorsport: Magdeburger hütet Gesundheit der Formel-1-Fahrer

Magdeburg/Gommern/dpa. - Krasser kann der Unterschied kaumsein: Vogelgezwitscher und grasende Rehe um eine abgelegene Klinik inSachsen-Anhalt, an den Wochenenden ohrenbetäubendes Getöse schnellerRennwagen. Beides bedeutet für den Orthopäden und AnästhesistenMichael Scholz viel Arbeit. Bei der Formel 1 ist er als LeitenderRennarzt der oberste Mediziner, der sich um die Gesundheit allerBeteiligten des Rennzirkus' kümmert. In der kleinen Klinik beiGommern nahe Magdeburg arbeitet er als Anästhesist. Der 45-Jährigependelt von Magdeburg aus zwischen den Welten.
«Ich bin verantwortlich für die, die auf die Piste gehen», erzählter. Der Familienvater sitzt während der Rennen bei der Rennleitung.Sowie ein Unfall passiert, muss er entscheiden, wie es weitergeht.Kann ein Fahrer weiterfahren? Muss er untersucht werden? Wann ist erwieder fit? «Ich bin die Schnittstelle zwischen Rennleitung undMedizin. Bei ernsten Problemen obliegt es mir, die Sache zukoordinieren, Teams zu informieren», berichtet der 45-Jährige.
Seit rund fünf Jahren macht Scholz das in der Formel 1, seit Endeder 90er Jahre betreut er Motorsportler verschiedener Rennserien imFormelsport und Tourenwagenbereich wie der Formel 2 und der DTM.Angefangen hat er auf einer Rennstrecke in Oschersleben bei Magdeburg- so kam er ins Geschäft.
Der größte Teil von Scholz' Arbeit liegt vor den Rennen. Schon amMittwoch vor einem Rennwochenende besucht er die Kliniken, die imNotfall die Fahrer versorgen würden. Am Donnerstag gibt es Übungenmit speziellen Rettungskräften, die die Fahrer nach einem Unfallbergen würden - alles an den verschiedenen Autos. Am Freitag werdendie Übungen noch anspruchsvoller, die Rettungskette wird unterUmständen bis zur Klinik durchgespielt. Ziel ist, dass vom Unfall biszur Behandlung im Krankenhaus nicht mehr als 15 Minuten vergehen.
Scholz spricht von einer «Philosophie», die er in denRettungskräften verankern will - vor den Augen der Zuschauer und vorallem der Medien sei der Service etwas anderes als auf der Straße.Das Rettungsteam müsse souverän und kompetent auftreten. «Früher istes schon mal vorgekommen, dass ein Fahrer fotografiert wurde, bevorihm geholfen wurde. Das ist natürlich ein absolutes No-Go.» Scholzbetont, dass seine Arbeit nicht nur mit Unfällen zu tun hat. Ererinnert sich an ein Rennen in Bahrain bei so großer Hitze, dass zweiDrittel der Helfer kollabiert seien. «Wir sind auch mit Infusionen anunsere Grenzen gestoßen.»
Früher hat Scholz in Magdeburg Handballer und Fußballer betreut:«Prinzipiell sind alle Leistungssportler gleich. Sie sindleistungsorientiert und körperbewusst.» Im Gegensatz zu seinenPatienten im Krankenhaus seien sie gesund, zu 100 Prozentaustrainiert. Die Belastung, der sie ausgesetzt seien, sei immens.«Sie fahren immer am Limit. Wenn ein Arzt mitfährt, muss er nach zweioder drei Runden ausgewechselt werden.» Die Belastung beschränke sichaber nicht nur auf die Rennen und das Training, die Fahrer würdenimmer mehr in Anspruch genommen von Tests, Terminen mit Medien undSponsoren.
Dass die Strecken grundsätzlich sicherer geworden sind, sagt derVize-Präsident des Deutschen Motorrad Sport Bundes, Hans-RobertKreutz, der seit 1976 im Rennsport arbeitet. «Man hat immer ausUnfällen gelernt.» Kiesbetten wurden eingeführt und erweitert, wasbeispielsweise die Gefahr für die Zuschauer mindere. An denMotorradstrecken etwa gebe es seit 1990 eine standardisiertemedizinische Versorgung, sagt der 61-Jährige. Seitdem steht fest, wieviele Ärzte und Ambulanzen wo stehen müssen - ob in Malaysia oderAustralien. Nirgendwo sei man bei einem Unfall so gut aufgehoben wiean einer Rennstrecke, sagt Kreutz.
Die sehr schnelle Rettungskette an den Rennstrecken, die schnellenEntscheidungen, die gefällt werden müssen - das begeistert Scholzneben dem Rennsport selbst. Dennoch sagt der 45-Jährige: «Ich willmir den klinischen Bezug erhalten.» Und so pendelt er zwischenMagdeburg, Gommern und den Wettbewerben der Saison jedes bis jedeszweite Wochenende.