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Motorsport Motorsport: Der Ring der Sachsen

Von Stefan Geyler 13.07.2007, 20:22

Halle/MZ. - Martin Nötzold ist heute 87 Jahre alt. An seiner Tribüne kommen längst keine Fahrer mehr vorbei. Dennoch hängt sein Herz noch immer am Sachsenring. Lange Zeit hat er sogar selbst bei der Organisation des Rennens mitgeholfen.

Das Sachsenring-Rennen 1990, das auch Martin Nötzold miterlebte, war vielleicht das ungewöhnlichste in der gesamten 80-jährigen Geschichte dieses Traditionskurses im sächsischen Hohenstein-Ernstthal. Die erste Veranstaltung nach der politischen Wende in Deutschland atmete den Hauch von etwas ganz Besonderem. Erstmals waren wieder Fahrer aus Ländern am Start, die man viele Jahre schmerzlich vermisst hatte.

Neue Klassen standen auf dem Programm, die Zuschauer, die sechs Tage zuvor nach der Währungsumstellung erstmals D-Mark in der Tasche hatten, konnten den Sound der Superbike-Maschinen hören.

Doch der Neuanfang, mit dem so viele Hoffnungen verbunden waren, war gleichzeitig auch das Ende des alten 8,7 Kilometer langen Kurses. Mario Rubatto schraubte zwar den Rundenrekord noch einmal auf sagenhafte 181,220 km / h, doch gleichzeitig verunglückten drei Fahrer an diesem Rennwochenende tödlich. Besonders tragisch: In der Stunde, als Deutschland zum dritten Mal Fußball-Weltmeister wurde und die Sektkorken im ganzen Land knallten, musste Bernd Riedel, der damalige Organisationschef, in Schönebeck der Familie Findeisen die tragische Nachricht überbringen, dass Ehemann und Vater Bernhard Findeisen auf dem Sachsenring tödlich verunglückt war.

Sollte das das Aus für den Sachsenring gewesen sein? Für die alte Strecke sicherlich. Da waren sich die Rennsportexperten wie die Fans einig. Durch die Stadt und dann durch den Wald hinunter zum Queckenberg konnte man niemanden mehr mit diesen hohen Geschwindigkeiten fahren lassen. Doch mit dem Gedanken, dass hier keine Rennen mehr gefahren werden können, wollte sich niemand abfinden.

Das Projekt "Sachsenring II" wurde Anfang 1991 ins Leben gerufen. So groß die Euphorie war, das 100 Millionen Mark teure Unternehmen zu verwirklichen, so schnell kam auch die Ernüchterung. Bedenkenträger meldeten sich zu Wort, bürokratische Hürden wurden immer höher. Im März 1992 musste der Kreistag Hohenstein-Ernstthal feststellen: "Das Vorhaben 'Sachsenring II' ist gescheitert." Doch damit abfinden wollte sich niemand so recht.

Da kam die kuriose Idee auf, dass in der ersten Hälfte der 90er Jahre Sachsenring-Rennen in Most und in Brünn stattfinden sollten. Dort, wohin schon zu DDR-Zeiten Tausende von Fans Jahr für Jahr pilgerten. So gab es am 17. und 18. Oktober 1992 das ADAC-Sachsenring-Rennen in Most.

Doch selbst wieder dort Rennen zu fahren, wo das Herz des Motorsports schlägt, wurde nie aus den Augen verloren. Das 1995 eingeweihte Verkehrssicherheitszentrum am Sachsenring (VSZ) bot die Gelegenheit dazu. Die Strecke war zwar etwas kurz und winklig, doch ein Versuch sollte es wert sein. Gesagt, getan. Zu Pfingsten 1996 wurde das Unmögliche möglich gemacht. Sechs Jahre nach dem letzten Rennen auf dem alten Kurs dröhnten am Sachsenring wieder die Motoren.

Nicht nur Streckensprecher Joachim Wagner standen, als er "die lieben Rennsportfreunde" begrüßte, die Tränen in den Augen. Mancher Fahrer musste allerdings erst überzeugt werden. Jochen Schmid, der damalige Kawasaki-Werksfahrer, wollte auf der Stelle umkehren, als er die Anlage sah, die noch mehr einer Baustelle als einer Rennstrecke ähnelte. Kurze Zeit später hatte er es sich aber anders überlegt und fuhr ein begeisterndes Rennen, das mehr als 52 000 Zuschauer verfolgten. Der Sachsenring hatte sich an diesem Tag im Konzert der großen deutschen Rennstrecken zurückgemeldet.

Dass sich aber bereits zwei Jahre später die Weltelite beim Großen Motorradpreis von Deutschland auf dem Sachsenring die Ehre geben sollte, dachten zu diesem Zeitpunkt nicht einmal die kühnsten Optimisten. Doch der ADAC Sachsen erkannte die sich bietende Chance und nutzte die Gunst der Stunde. 1997 waren beim deutschen Grand Prix auf dem Nürburgring die Zuschauerzahlen in den Keller gegangen und es bestand die Gefahr, dass der deutsche WM-Lauf in der Bedeutungslosigkeit verschwindet.

Partner fand der ADAC in der sächsischen Landesregierung, die einen erneuten Umbau des Rings unterstützte. Die 3,4 Kilometer lange Strecke erhielt ein neues Gesicht. Der Sachsenring sollte sich in den folgenden Jahren als Glücksfall für den deutschen Motorsport erweisen. Zum Grand Prix und zu den Läufen der Deutschen Tourenwagen Masters (DTM) kamen die Menschen in Strömen. Der Sachsenring bleibt vorerst bis 2011 eine feste Größe im Grand-Prix-Kalender. Seine Zukunft ist gesichert.

Jahr für Jahr gab es neue Zuschauerrekorde. Auch dieses Wochenende wird es nicht anders sein. "Wir rechnen wieder mit einem vollen Haus", ist sich Lutz Oeser, der Sportchef des ADAC Sachsen, sicher. 200 000 Tickets sind im Vorverkauf bereits über den Tisch gegangen. "Wir werden aber keinen wieder wegschicken", fügt Oeser schmunzelnd hinzu. Der Sachsenring hatte sich schon längst vom "Micky-Maus-Kurs" zu einer anspruchsvollen Strecken im Grand-Prix-Zirkus gewandelt.