"Moin. Bin wieder da": Bauern-Demos mit 1700 Treckern

Kiel/Hamburg - Mit rund 1700 Treckern haben Bauern am Donnerstag in Kiel und Hamburg für mehr Unterstützung durch Politik und Gesellschaft demonstriert. Die Landwirte fordern eine größere öffentliche Wertschätzung, die Einbeziehung ihrer Positionen in politische Entscheidungen, faire Lebensmittelpreise und klare wirtschaftliche Perspektiven. Geplante schärfere Umweltauflagen lehnen sie als existenzgefährdend ab. „Die Betriebe stehen mit dem Rücken zur Wand”, sagte Schleswig-Holsteins Landwirtschafts- und Umweltminister Jan Philipp Albrecht von den Grünen. Es müsse politisch geklärt werden, wie sie in den nächsten 20 bis 40 Jahren arbeiten sollen. Wenn sie aufgrund neuer Vorgaben Ställe umbauen sollen, bräuchten sie dafür finanzielle Unterstützung.
Hinter den Aktionen steht die neue Bauernbewegung Land schafft Verbindung. Die An- und Abfahrt der Trecker behinderte in beiden Städten den Straßenverkehr. Die Landespolizei sprach von 1000 Treckern und bis zu 1800 Teilnehmern in Kiel, die Veranstalter von 700 Traktoren und mehr als 1000 Landwirten in Hamburg. 260 Trecker kamen in drei Konvois aus Schleswig-Holstein. In Hamburg mussten Autofahrer in der Innenstadt zeitweilig Geduldsproben bestehen. „Die Stadt ist recht voll, es gibt eine angespannte Verkehrslage”, hieß es aus der Verkehrsleitzentrale am Vormittag.
Lautstark hupend rollten die Bauern mit den Treckern am Morgen zu den Kundgebungsorten. Losungen wie „Moin. Bin wieder da, aufwachen liebe Politiker”, „Umweltschutz + Weltgeschehen - aber lasst uns nicht im Regen stehen”, „Wir machen euch satt” standen auf Transparenten.
„Wir werden einfach nicht gehört”, schimpfte der Landwirt Hans-Peter Petersen aus Westensee im Kreis Rendsburg-Eckernförde. „Man bestimmt über unsere Köpfe hinweg”, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Die Auflagen würden immer härter, die Preise kämen da nicht mit. „Jeder will die bäuerliche Landwirtschaft, aber die wird es bald nicht mehr geben.” Die Rendite reiche nicht aus, die Grundkosten seien zu hoch.
Der Unmut der Bauern richtet sich besonders stark gegen die neue Düngemittelverordnung, die Anfang April im Bundesrat beschlossen werden soll. Demnach sollen die Bauern weniger Dünger ausbringen dürfen, was die Erträge fallen ließe. „Die Auflagen sind zu scharf”, sagte der Dithmarscher Bauer Christian Köhler. „Die regionale Erzeugung wird durch die Düngeverordnung und die Nutztierverordnung gefährdet”, sagte die Landesvorsitzende für Schleswig-Holstein und Hamburg des Vereins Land schafft Verbindung, Uta von Schmidt-Kühl.
Ärger bekundeten Demonstranten über die Abwesenheit von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU). Albrecht verwies auf andere wichtige Termine: Günther informierte sich im internen Führungsstab im Gesundheitsministerium über die Lage in Sachen Coronavirus. Regierungssprecher Peter Höver sagte, Günther habe in den letzten Wochen und Monaten zahlreiche Gespräche mit Bauernvertretern geführt, zuletzt am Montag. „Diese Themen sind bei der Landesregierung und beim Ministerpräsidenten auf dem politischen Radarschirm.”
Minister Albrecht, der weder mit Pfiffen noch mit Beifall begrüßt wurde, bot der Bauernbewegung den Dialog an. In der nächsten Woche gibt es ein Gespräch mit Staatssekretärin Dorit Kuhnt. Deutschland müsse sich dafür stark machen, dass in Europa so hohe Standards wie hier gelten, sagte Albrecht. Der Einzelhandel sollte nichts anbieten, was nicht hiesigen Produktionsstandards entspricht.
Zu ihrer Versorgung rund um die Kundgebung in Kiel hatten die Bauern eigens eine Wurstbude geordert. „Bauern fahren nirgendwohin ohne gesicherte Futterquelle”, sagte einer von ihnen. (dpa/lno)