Mittelamerika Mittelamerika: Begegnung mit Kolumbus
Halle/MZ. - Vielleicht hat die Mittagspause jetzt ein Ende und jemand lässt sich von dem 35-Jährigen durch die schön sanierte Altstadt von Santo Domingo kutschieren. Und das, so verspricht der Kutscher mit einem gutmütigen Lächeln, wird für seine Fahrgäste garantiert ein Erlebnis. Und ein Exkurs durch die Geschichte der ersten kolonialen Stadt Amerikas, die mit ihren rund drei Millionen Einwohnern inzwischen auch zur größten Metropole in der Karibik gewachsen ist, allemal.
Doch egal, ob die Touristen mit einer Pferdestärke durch die Hauptstadt der Dominikanischen Republik zuckeln oder ob sie sich selbst auf die Socken machen - im schön sanierten und zum Weltkulturerbe gehörenden Stadtkern von Santo Domingo stoßen sie auf Schritt und Tritt auf koloniales Flair und auf Superlative zu Hauf. Wenn sie nämlich auf der Calle Las Damas - der Straße der Frauen - ihre Tour starten, dann schlendern sie auf der ältesten Steinstraße des Kontinents. Irgendwann kommen sie dann zum Fortaleza, der ältesten Befestigungsanlage, fotografieren die älteste Uni der Neuen Welt - 1538 eröffnet - und betreten wenig später die berühmte Santa Maria de la Encarnatión. Amerikas erste Kathedrale und zugleich die größte im Land - der Grundstein wurde 1521 gelegt - wirkt von außen eher schlicht. Im Innern aber präsentiert sie 14 Kapellen mit zum Teil kostbaren Altären.
Für ein kleines Trinkgeld gibt's eine fundierte Führung durch die alten Gemäuer und der Betrachter erfährt, dass in den Katakomben des sakralen Kleinods Christoph Kolumbus begraben lag. Bis seine Gebeine 1992 in den "Faro de Colón", einem modernen Zwitter aus Leuchtturm und Museum östlich des Rio Ozama, umgebettet wurden. Dieses gigantische Monument, von dessen Dach abends die Scheinwerfer ein riesiges Lichtkreuz verschwenderisch an den Himmel malen, gilt als das größte liegende Kreuz der Welt: 120 Meter lang, 60 Meter breit, 30 Meter hoch.
Dem spanischen Seefahrer kann der Tourist aber auch weniger spektakulär im Parque Colón gegenüber treten. Überlebensgroß grüßt der Bronzemann dort vom Steinsockel. Sein ausgestreckter linker Arm ist Heerscharen von Tauben willkommener Landeplatz. Und die scheren sich wenig darum, dass ihr bevorzugter "Ankerplatz" Promi-Status hat. Denn Kolumbus war der erste "Ferntourist", der einst die zweitgrößte Karibikinsel entdeckte. Zeit, sich zu erinnern: Auf der Suche nach Indien landete der Seefahrer im Dienste der spanischen Krone am 5. Dezember 1492 auf Hispaniola, wie er das traumhafte Fleckchen Erde später nannte, und von dem er sofort schwärmte: "Die Insel ist das Schönste, was ich je gesehen habe."
Um die "Perle der Antillen" mit ihren dichten Regenwäldern und den Traumstränden an Atlantik und Karibik zu finden, musste der Entdecker Amerikas erst eine aufreibende Seereise von fast einem halben Jahr hinter sich bringen. Touristen aus Europa haben es da heute einfacher. Im Flieger bewältigen sie die Strecke locker in etwa zehn Stunden. Danach können sie auf Tour gehen und dabei unberührte Paradiese erleben, so wie sie Kolumbus vor einem halben Jahrtausend vorfand.
Insgesamt 600 Kilometer lange Sandstrände, üppige Regenwälder, unterirdische Höhlensysteme, wilde Raftingschluchten, Wüstenlandschaften und die imposanten Kordilleren mit dem 3 175 Meter hohen Pico Duarte - übrigens der höchste Gipfel der Karibik - lassen die Dominikanische Republik zum Inbegriff des tropischen Paradieses werden. Um die vorgelagerte Insel Saona erstreckt sich zudem das größte unversehrte Küsten-Ökosystem der Karibik. 30 Nationalparks unterschiedlicher Vegetationszonen bedecken das Land. Und nicht zu vergessen die gastfreundlichen Menschen, die leckeren karibischen Gerichte und die mitreißenden Merengue-Klänge - sie machen erst den Urlaub perfekt.
Eines der schönsten Naturparadiese der Dominikanischen Republik ist die Halbinsel Samaná nördlich der Touristen-Hochburg Punta Cana. Die Fahrt vom Hauptort Santa Bárbara de Samaná zu den idyllischen Stränden und markanten Riffen ist hier noch ein Abenteuer für sich. Und an der Seite von Hennie, einem Holländer, wird es auch noch zu einem akustischen Erlebnis. Denn mit seinem nie versiegenden Redeschwall macht der Reiseleiter, der sich während eines Urlaubs in die Karibikinsel verliebte und nun seit 15 Jahren hier als Touristenführer arbeitet, den munter sprudelnden Wasserfällen auf dem Eiland locker Konkurrenz. Mit Hennie also geht es im Geländewagen über lehmige Pisten, bergauf und -ab, vorbei an farbigen Holzhäuschen und winkenden Schulkindern, hin zu einem kleinen Gehöft am Rande des wuchernden Dschungels. An der Seite des Hausherrn darf das Gebäude besichtigt werden und der Garten mit den vielen exotischen Früchten. Die kann der Gast für ein kleines Handgeld kaufen, ebenso wie diverse Hausmittelchen und handgefertigte Souvenirs aus Kokosschalen.
Von dem herrlichen Land bekommen die meisten der Insel-Gäste jedoch wenig mit. Denn das Gros verbringt den Urlaub abgeschottet in den Strandressorts, bedauert Hennie. "Dabei müssen sich die Urlauber nur einen Ruck geben und im Urlaubshotel ihre bunten Alles-Inklusive-Fesseln abstreifen", meint der Holländer. An Alternativen zum Strandurlaub mangelt es jedenfalls nicht. Davon können sich in der nächsten Woche die Besucher der weltgrößten Reisemesse in Berlin überzeugen. Hier wird sich der Karibik-Staat nicht nur als Traumziel für Sonnenanbeter präsentieren, sondern auch für Aktiv-Urlauber, die sich für Canyoning, River-Rafting, Gipfel-Trekking und Tauchen interessieren.
Zugleich wollen die Tourismus-Verantwortlichen weg vom Ballermann-Image. Seit der Einführung des Alles-inklusive-Urlaubs in den 90er Jahren nämlich wird die Insel von vielen mit Billigtourismus gleichgesetzt. Neue Luxus-Hotels sollen einen Gegentrend setzen, sagt Petra Cruz. Die Direktorin des Fremdenverkehrsamtes in Frankfurt (Main) erzählt von gezielten Programmen für anspruchsvolle Touristen, die nicht nur auf Bier, Beach und Bräune fixiert sind, sowie von neuen Luxus-Urlaubswelten. Eine heißt "Sanctuary Cap Cana". Auf dem 120 Quadratkilometer großen Gelände südlich von Punta Cana gibt es keine Alles-inklusive-Angebote, dafür aber fünf Golfplätze und den modernsten Yachthafen der Karibik. Und vielleicht wird sich der eine oder andere der Gäste bald von Pablo durch Santo Domingo kutschieren lassen.