1. MZ.de
  2. >
  3. Varia
  4. >
  5. Frauen-Nationalelf: Liebe im Verborgenen: Wie der DFB mit der Thema Homosexualität in der Frauen-Nationalelf umgeht

Frauen-Nationalelf Liebe im Verborgenen: Wie der DFB mit der Thema Homosexualität in der Frauen-Nationalelf umgeht

Von Frank Hellmann 26.06.2011, 20:36
Ein Lesbisches Paar küsst sich.
Ein Lesbisches Paar küsst sich. dpa

Berlin - Der 26. Juni ist ein besonderer Termin für Ursula Holl. Am Tag des Eröffnungsspiels der Frauen-WM am Sonntag hat die gebürtige Würzburgerin nämlich Geburtstag. Und seit dem vergangenen Jahr fällt auch ihr Hochzeitstag in diesen Monat; denn es war am 18. Juni 2010, als die deutsche Ersatztorfrau auf dem Kölner Standesamt ihre Lebenspartnerin Carina ehelichte.

Medien berichten zufällig über Hochzeit von Ursula Holl

Von ihrem Bund fürs Leben entstanden zufällig gar Bilder für die Öffentlichkeit, weil Medien wissen wollten, wer denn heiratet, wo doch zeitgleich von der WM in Südafrika die Übertragung Deutschland gegen Serbien läuft. Dem Magazin 11 Freunde schilderte die nun 29-jährige Torhüterin des FCR Duisburg die Umstände kürzlich im Detail, und Ursula Holl sagte auf die Frage, warum sie geheiratet habe: „Weil ich Carina liebe, weshalb denn sonst!“

Bisexuell - Nadine Angerer outet sich früh

Interviewanfragen lehnt das Ehepaar seitdem allerdings ab: Ursula Holl will als sportliche Attraktion wahrgenommen werden - und nicht als homosexuelle. Bekannt hat sich auch ihre  Keeper-Kollegin Nadine Angerer - zur Bisexualität. Der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung sagte die 32-Jährige nun, dass sie die Reaktion auf ihr Outing  rückblickend gewundert habe: „Ich habe keine große Resonanz darauf bekommen. Ich war total überrascht. Ich hab' gedacht: Die drei Tage nach dem Interview werden bestimmt der Horror. Und dann: gar nichts. Die Leute, die mich direkt angesprochen haben, kann ich an einer Hand abzählen, das waren vielleicht drei - darunter ein 93 Jahre alter Opa, der das total toll fand.“ Ihre Offenheit erklärt die Torfrau mit dem Mützentick so: „Ich bin nicht bereit, mich zu verstellen.“

Beziehung mit Martina Voss: Inka Grings sorgte für Schlagzeilen

Es ist ja längst kein Geheimnis mehr, dass sich unter den Auserwählten von Silvia Neid ein nicht unerheblicher Teil befindet, der die gleichgeschlechtliche Partnerschaft bevorzugt. Vor allem unter jenen neun (älteren) Spielerinnen, die zur Bundestrainerin „Silv" sagen dürfen. Doch es wird auch noch viel gemauert. Inka Grings wollte kürzlich beim Medientag in Frankfurt partout nicht mehr über Privatleben reden, das schon reichlich Schlagzeilen lieferte. Ihre einstige Liaison mit Mitspielerin Martina Voss endete im Streit, die Beziehung zur Vereinskameradin Linda Bresonik scheiterte vor sechs Jahren spektakulär, weil plötzlich eine Dreiecksgeschichte mit dem Trainer Holger Fach herauskam. Die 32-Jährige sagt heute nur: „Das ist Vergangenheit und alles dazu gesagt." Wirklich?

DFB-Präsident Theo Zwanziger spricht viel und gern über Homosexuelle in der Fußballfamilie. Als Unterstützerin hat er die ehemalige Bundesligaspielerin Tanja Walther-Ahrens gewonnen, die sich in der European Gay and Lesbian Sport Federation (EGLSF) engagiert. „Die Entscheidung, sich zu outen, liegt natürlich bei den Frauen, aber sie engen sich damit ein." Weil sie nicht über Familiäres plaudern können; weil die Partnerin lieber hinter dem Parkplatz warte. Und der Buchautorin gefällt auch die derzeitige Werbung mit sexy Fußballerinnen nicht: „Warum hat nicht ein Sportartikelhersteller etwas Lustiges mit einer durchgeknallten Lesbe gewagt?" Zwanziger glaubt dennoch: „Bei den Frauen akzeptiert man in der Öffentlichkeit mittlerweile eine homosexuelle Orientierung. Bei den Männern ist das zumindest im Profibereich leider noch ein wenig anders." Ganz anders sogar.

Gero Bisanz: „,Tina, besprich das mit den Frauen'“

Gleichwohl: Auch im weiblichen Segment spielte sich lange viel im Verborgenen ab, wie Gero Bisanz, der erste Frauen-Nationaltrainer weiß, der  mitunter seine liebe Mühe hatte, die aus den gegenseitigen Beziehungen resultierenden Spannungen aus dem Team fernzuhalten. Rückblickend gesteht der 75-Jährige: „Ich habe meiner Assistentin Tina Theune-Meyer damals die klare Anweisung gegeben: ,Tina, besprich das mit den Frauen.' Ich will auf den Zimmern nur die Spielerinnen sehen, die dort auch eingeteilt sind." Ansonsten habe ihn die sexuelle Neigung nicht interessiert, „es musste mir egal sein."

Die noch in der Bisanz-Ära als Spielerinnen aktiven Silvia Neid ("Früher hieß es, das sind alles lesbische, dicke Weiber. Jetzt sind wir 30 Jahre weiter") und Doris Fitschen ("Es wird niemand mehr untersagt, sich zu outen") nehmen in ihren heutigen Funktionen als Trainerin und Managerin des Nationalteams zu dieser Thematik eher selten und nur ungern Stellung.

Wie sehr ihrem Arbeitgeber ein zwangloser Umgang am Herzen liegt, wird daran deutlich, dass der DFB bereits seit drei Jahren einen Wagen für den Christopher Street Day sponsert, jenes Fest von Schwulen, Lesben und Transsexuellen, das auch am Samstag wieder in Berlin stattfand.

Bis auf dem Wagen aber wirklich eine Nationalspielerin auftaucht, wird es gleichwohl noch dauern. Von einem Nationalspieler gar nicht zu reden. (mz)