Lenin kam nur bis Lüdenscheid
Hamburg/dpa. - «Lenin kam nur bis Lüdenscheid» nannte Bestsellerautor Richard David Precht seinen autobiografischen Roman über eine Kindheit mit linken Eltern in der bergischen Provinz.
«Das Jahr 1964 ist das Jahr, in dem Bundeskanzler Ludwig Erhard die Ablehnung der Oder-Neiße-Grenze zwischen Deutschland und Polen bekräftigt, der Oberste Sowjet Nikita Chruschtschow in Russland sämtliche Ämter verliert und die ersten Menschen in Solingen und anderswo gegen die Gefahr eines Atomkrieges demonstrieren.» Mit diesem Satz stimmt die ARD ihr Publikum auf den Dokumentarfilm «Lenin kam nur bis Lüdenscheid» von André Schäfer und Richard David Precht an diesem Dienstag (22.45 Uhr) ein.
Eine Solinger Familie versucht in dieser Zeit der tiefgreifenden politischen Veränderungen, ihre eigene kleine linke Welt in einem konservativen Umfeld zu etablieren, von dem der Vater immer meinte, dass die sozialistischen Ideen nur bis nach Lüdenscheid gelangt wären. Vater Precht liest Marx und Engels, während Sohn Richard David, Autor des Films, die Rauschebärte der kommunistischen Urväter mit dem des Tiervaters Brehm gleichsetzt. Die DDR stellt sich Richard als riesigen, durch eine hohe Mauer geschützten Zoo vor, weil er einmal gelesen hatte, dass der Tierpark Berlin-Ost der größte der Welt sei.
Coca Cola ist zu Hause ebenso verpönt wie US-Serien im Fernsehen. Richard und seine Geschwister dürfen Asterix wegen seines französischen Ursprungs lesen. Die Besatzer, die Römer, sind so ähnlich wie die Amerikaner. Richard David Precht, auf dessen gleichnamigem Buch der Dokumentarfilm «Lenin kam nur bis Lüdenscheid» basiert, liefert nach ARD-Angaben eine unverklärte Sicht auf das wichtigste Kapitel der jüngsten deutschen Geschichte.
Der Film sei eine liebevolle Auseinandersetzung «mit der Wucht idealistischer Erziehung, die so fortschrittlich daherkam, aber ein Kind nicht wirklich auf die Zukunft vorbereitete». Der Autor und sein Regisseur bringen die großen Ereignisse jener Jahre in ganz andere, kleinere und sehr private Zusammenhänge. «Lenin kam nur bis Lüdenscheid» ist eine Koproduktion zwischen der Kölner Produktionsfirma Florianfilm, dem Westdeutschen Rundfunk und dem Südwestrundfunk.
Gezeigt werden zum Teil in Super 8 gedrehte Szenen von Precht und seiner Familie: Im Tierpark von Berlin-Ost, der den Charme der 70er Jahre immer noch nicht verloren hat, in einem Klassenzimmer, in dem der erwachsene Richard seine Erinnerungen an den Vietnamkrieg als Schlagworte von damals an die Tafel schreibt, in der Turnhalle des Gymnasiums Schwertstraße in Solingen und dort, wo die Prechts in den 70er und 80er Jahren gelebt haben: in der Klemens-Horn-Straße und später im Westfalenweg in Solingen.