Leistungssport Leistungssport: Sportler sollen von Doping gewusst haben

Berlin/dpa/MZ. - In seinem jetzt erscheinenden Buch "Zwei Seiten der Medaille" unterstellt der frühere zweite Mann des DDR-Sports auch Topathleten auf insgesamt 232 Seiten eine Mitwisserschaft. "Alle Mittel wurden im Einvernehmen mit dem Sportler verabreicht", schreibt der 70-Jährige. "Wenn Sportler bereits ab dem 16. Lebensjahr beteiligt wurden, geschah das vor allem unter Beachtung ihres biologischen Reifegrades." Das sei vor allem im Schwimmen passiert.
Köhler schreibt, dass sich die DDR-Sportführung unter Leitung von DTSB-Präsident Manfred Ewald im flächendeckenden Staatsdoping "für den Einsatz ausgewählter anaboler Substanzen in einer Reihe von Sportarten" entschieden habe, um die Chancengleichheit im Ost-West-Vergleich zu gewährleisten.
Ines Geipel - ehemalige Sprinterin und selbst Dopingopfer - ist empört über Köhlers Buch: "Es enthält absolut nichts Neues, ist aber komplett verantwortungslos. Vor allem aber ist es eine Lüge und eine Verklärung seiner Verantwortung im DDR-Sport. Herr Köhler ist verurteilt. Das Sportsystem DDR ist juristisch aufgearbeitet. Jetzt wird versucht, die Geschichte zu drehen und die Geschädigten immer wieder neu zu diskreditieren. Das ist obermies."
Der zweifache Olympiasieger im Rudern, Andreas Hajek aus Halle, sagte der MZ: "Ich distanziere mich von dem Buch. Eine Zustimmung von Kindern zum Doping kann ich mir nicht vorstellen." Und die Regionalbeauftragte des Vereins Deutscher Dopingopferhilfe für Sachsen-Anhalt, die frühere Schwimmerin Ute Krieger-Krause, ergänzt gegenüber der MZ: "Es gab für Kinder keine Aufklärung. Bei Nachfragen wurden sie mit Halbwahrheiten abgespeist, die Pillen seien nur Vitamine. Man kann nicht sagen: Alle haben es gewusst. Man kann aber auch nicht sagen: Keiner hat etwas gewusst."
Dagegen verteidigte der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes und IOC-Vizepräsident, Thomas Bach, das umstrittene Buch: "Die Aussagen von Thomas Köhler bringen mehr Klarheit in die Aufarbeitung der Dopinggeschichte." Die sportpolitisch Verantwortlichen der früheren DDR hätten das Thema immer weitgehend geleugnet.