Leichtathletik Leichtathletik: Spaß an verrückten Dingen
HALLE/MZ. - "An sich", sagt Stephan, "bin ich ein ganz normaler Junge und tue das was andere 17-Jährige auch tun." Er ist gern mit Freunden zusammen, trifft sich in Cafés, im Kino, hört die Musik seiner Lieblingsband "Die Ärzte". Ihm käme es auch nicht in den Sinn, sich zum Fasching zu verkleiden.
Dabei ist er so etwas wie ein Verwandlungskünstler. Doch das hängt mit seinem großen Hobby zusammen: der Leichtathletik. Da kann es dem Athleten von den Halleschen Leichtathletik-Freunden nicht verrückt genug zugehen.
Wie voriges Wochenende in Heilbronn, als er sich im Wettkampf über 3 000 Meter Hindernis unter die bis zu 23-Jährigen mischte. In seinem erst zweiten Rennen auf dieser Strecke lief er 8:58,79 Minuten. Die Zeit war so gut, dass Stephan Abisch in drei Wochen bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft der unter 20-Jährigen im kanadischen Moncton antreten wird.
Aber der Schüler am Sportgymnasium Halle mit dem Abiturziel von "einem Notendurchschnitt unter 2,0" tummelt sich auf unglaublich vielen Strecken, was alles andere als typisch ist. Er kann über 400 und 1 500 Meter schnell laufen, erst recht über 800 Meter mit seiner jüngsten respektablen Bestzeit von 1:53,16 Minuten. "Das machen nicht viele so. Ich bin dadurch unberechenbar", bemerkt er dazu. Seine Gegner stöhnen über seine Finesse und meinen, sie wüssten nicht, was Stephan Abisch im nächsten Moment vorhabe. Der Läufer sagt, dass er das selbst nicht immer wisse: "Ich gehorche meinem Instinkt". Vielleicht, so denkt er, könnte das mit seinem speziellen Motto zusammenhängen, das ihn fasziniere. "Ich suche das Geheimnis zum Erfolg. Daher möchte ich anders sein als die Anderen, ohne dabei abzuheben".
Die Gefahr sieht er nicht, "weil mein Trainer Wolfgang Thier und meine Eltern genau aufpassen und das bestimmt nicht zulassen würden". Von seinem Vater Jörn Abisch hat er gelernt, wie wichtig es ist, sich durchzukämpfen. Der Chef der GWG Gartenstadt in Halle war schließlich früher ein guter Ringer in Luckenwalde und brachte es sogar bis zum nationalen Jugend-Meistertitel. Und Mutter Martina weiß als Kindergärtnerin, wie wichtig eine gute Erziehung ist.
Nur in den leichtathletischen Disziplinen soll er ordentlich über die Stränge schlagen. Deshalb meint Wolfgang Thier, der Coach: "Wir werden einen Teufel tun, uns schon jetzt auf eine Strecke festzulegen. In Stephan steckt außergewöhnliches Potentzial. Da gibt es noch manches auszuprobieren." Deswegen solle der Junge sich auch schon Mal mit den älteren Läufern anlegen wie demnächst bei der Weltmeisterschaft.
Dass er sich dabei die eine oder andere Beule holen könnte, nimmt das Team in Kauf. Letztens in Heilbronn war das nicht anders. Bis zum vorigen Jahr betrug in seiner Altersklasse die Hindernis-Distanz 2 000 Meter. Nun, in seiner ersten Saison in der A-Jugend, sind es 1 000 Meter mehr. Das bekam das Multi-Lauftalent auf der Zielgerade zu spüren. Auf den letzten 50 Metern wurden ihm die Beine weich wie Gummi. "Das war mein härtester Wettkampf überhaupt. Ich bin an meine Grenzen gegangen. Eine wunderbare, wichtige Erfahrung", sagt Stephan Abisch.
Aber es wäre nicht dieser sonst normale Junge, wenn er nicht bisweilen unnormal anmutende Dinge im Kopf hätte - sobald er in einem Lauftrikot, kurzen Hosen und Spikesschuhen auf der Tartanbahn steht. Dann kommen Stephan Abisch Ideen dieser Art: "Vielleicht sollte ich mich im nächsten Jahr auch mal an die 5 000-Meter-Strecke heranwagen?"