1. MZ.de
  2. >
  3. Varia
  4. >
  5. Kulturhauptstadt Stavanger: Kulturhauptstadt Stavanger: Öl-Metropole sucht Wege in die Zukunft

Kulturhauptstadt Stavanger Kulturhauptstadt Stavanger: Öl-Metropole sucht Wege in die Zukunft

04.12.2007, 12:20
Wohnen am Hafen: Stavanger ist die viertgrößte Stadt Norwegens. (Foto: dpa)
Wohnen am Hafen: Stavanger ist die viertgrößte Stadt Norwegens. (Foto: dpa) Anders Nielsen/Innovation Norway

Stavanger/dpa. - Die mit nicht einmal 120 000 Einwohnernviertgrößte Stadt des Landes gilt als «Hauptstadt des Öls», denn hierwird die Förderung des schwarzen Goldes in der Nordsee gesteuert, dieNorwegen von einer Fischerei- und Landwirtschaftsnation in einen derreichsten Staaten der Welt verwandelte. 2008 darf Stavanger sich nochmit einem weiteren Titel schmücken: Gemeinsam mit Liverpool wurde dieÖl-Metropole zur «Europäischen Kulturhauptstadt» gekürt.

Zu verdanken hat Stavanger diese Ehre vermutlich einemerfolgreichen Spagat: Der Hafenstadt an der Schnittstelle zwischen den Schären und Sandstränden des Südens und dem Fjordland der Westküste ist die Kombination von historischem Kulturerbe mitmodernem Wirtschaftsleben geglückt. Man kann das bereits bei derEinfahrt in den Hafen Vågen beobachten: Rechts und links säumenhistorische Lager- und Bootshäuser die Ufer; im Hintergrund leuchtendie 173 weiß gestrichenen, ineinander verschalteten und aus demfrühen 19. Jahrhundert stammenden Holzhäuser der Altstadt imSonnenlicht - und dann schwimmt vor dieser Kulisse plötzlich dasstählerne Ungetüm einer Ölplattform, auf dem Weg hinaus aufs Meer.

Am Ende der Bucht, auf der Landenge zwischen Hafen und Breia-See,erheben sich die Bürogebäude der Neuzeit im typischen Gemenge ausGlas und Beton. Dort residieren neben dem nationalen Öl-Direktoriumund dem Staatskonzern StatoilHydro auch ein Dutzend internationaleÖlgesellschaften. So sehr die Anhäufung moderner Architektur aberräumlich begrenzt erscheint, so sehr prägt der mit acht Prozent imLandesvergleich recht hohe ausländische Bevölkerungsanteil die Stadt.Auch und gerade in der Gastronomie: In den engen, mit Kopfsteingepflasterten Gassen des alten, des «Gamle» Stavanger, sind wenigertraditionelle Fischrestaurants als Küchen aus aller Welt zu finden.

Auch so gesehen dürfte Stavanger gut gewappnet sein für denBesucheransturm im Kulturhauptstadt-Jahr. Finanziell bereitet esohnehin kein großes Kopfzerbrechen: Auf 300 Millionen Kronen (38Millionen Euro) belief sich das Budget für den Fünfjahresplan. EinDrittel hat der Staat bereitgestellt, für ein knappes weiteresDrittel kamen Stadt, Nachbargemeinden und Regierungsbezirk auf, derRest wird durch Sponsoren gedeckt. Zudem haben die fetten Jahre desÖlzeitalters dafür gesorgt, dass Stavanger ohnehin herausgeputztdasteht und die nun verfügbaren Mittel außer zur Erweiterung derInfrastruktur vornehmlich in kulturelle Arrangements fließen können.

Entsprechend wenig umstritten war seinerzeit die Bewerbung um dieKultur-Krone. Richtig ernst genommen wurde sie aber auch nicht. «Diemeisten fanden die Idee einfach nur witzig, andere haben uns fürverrückt erklärt», erinnert sich Bürgermeister Leif Johan Sevland.Heute beschäftigt das Projekt «Stavanger 2008» rund 60 Mitarbeiter.Das Programm umfasst Ausstellungen, Konzerte, Musikfestivals, Shows,Theater, Kinderaktionen, Technik-Workshops und Natur-Exkursionen.

Das Jahr 2008 steht unter dem Motto «Open Port» («Offener Hafen»).Stavanger und sein Umland wollen sich für die Welt öffnen, dauerhafteKontakte knüpfen und neue Möglichkeiten erkunden. Die Stadtvätermöchten weg vom einseitigen Bild Stavangers als Öl- und Gas-Metropole- denn deren Tage dürften mit den zur Neige gehenden Vorräten gezähltsein. Mit der Erschließung des Snøhvit-Ölfeldes vor Hammerfest undweiteren fossilen Energievorkommen in den Tiefen der Barentssee stehtdie Verlagerung des Petro-Geschäfts weiter nach Norden an. Und auchdie Tatsache, dass beim Zusammenschluss von Statoil und Hydro Mittedes Jahres 2007 ein Teil der Verwaltung nach Oslo verlegt wurde, wiesdarauf hin, dass Stavanger seine Monopolstellung verlieren wird.

Doch Wandel ist die im Jahre 1125 gegründete Stadt gewohnt. Nichtnur, dass sie mehrfach Opfer von verheerenden Bränden wurde, auch dieWirtschaft musste sich immer wieder neu orientieren: Lebten dieMenschen zunächst von Seehandel und Fischfang, so verlegte man sichmit dem Ausbleiben der Heringsschwärme in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts auf das Eindosen von Sprotten und später auch andererWaren. Zeitweise existierten mehr als 50 Dosenfabriken in der Stadtund machten sie zum größten Standort der Konservenindustrie weltweit.Als damit Schluss war, kamen das Offshore-Öl-Zeitalter und mit ihmdie Werften, die Zuliefererbetriebe und die Entwicklungslabors.

Man kann diese Geschichte bei einem Stadtrundgang ziemlich raschnachempfinden: mit der Besichtigung der Domkirche aus derGründerzeit, dem Besuch der Museen für Schifffahrt und Handel, einemAbstecher zum Konservenmuseum und schließlich der Besichtigung deserst 1999 eingeweihten Ölmuseums am Hafen. Und wer genau hinsieht,entdeckt auch im Programm für 2008 schon die Hinweise auf StavangersZukunft - denn es geht um Kultur und Know-How statt um Öl und Gas.

INFO-KASTEN: Stavanger

ANREISE: Per Auto führen alle Wege auf eine Fähre: Die einzigeDirektverbindung nach Stavanger bietet Colorline ab Hirtshals inDänemark an. Fjord Line fährt die Route Hanstholm-Egersund. Wer vonKiel oder Frederikshavn in Dänemark nach Oslo oder von Hirtshals nachKristiansand, Larvik oder Langesund übersetzt, folgt anschließend denEuropastraßen 18 und 39. Auch die norwegische Bahngesellschaft NSBund Expressbusse bedienen die Strecke Oslo-Stavanger. Die Lufthansabietet eine Nonstopverbindung von Frankfurt/Main nach Stavanger an.Zudem bestehen Anschlüsse mit der Inlandsgesellschaft Widerøe vonOslo-Gardermoen (SAS, Lufthansa) und Oslo-Torp (Ryanair, KLM) aus.

KLIMA UND REISEZEIT: Stavanger liegt am Übergang zwischen dersonnigen Südküste Norwegens und den schnellen Wetterwechseln an derWestküste. Mit Regenschauern ist selbst während der günstigstenReisezeit von Mitte Juni bis Ende August zu rechnen. Die Temperaturenschwanken dann zwischen knapp unter 20 und etwas mehr als 25 Grad.

INFORMATIONEN: Innovation Norway, Postfach 11 33 17, 20433 Hamburg(Tel. 01805/00 15 48 für 14 Cent pro Minute).