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Klinsmann badet im WM-Jubel Klinsmann badet im WM-Jubel: Deutschland wartet auf das «Ja»

Von Klaus Bergmann und Jens Mende 09.07.2006, 15:33

Stuttgart/Berlin/dpa. - Die Kanzlerin drückte ihn ganz fest undgab ihm sogar einen Kuss auf die Wange, die gesamte Fußball-Nationliegt Jürgen Klinsmann zu Füßen - doch der Bundestrainer verlor trotzder überwältigenden Gefühle nicht die Kontrolle über sich selbst: Esgab weder ein spontanes «ja» oder «nein», und auch kein eindeutigesZeichen, auf das auch «die Mannschaft wartet», wie Kapitän MichaelBallack verriet. Die Fußball-WM ist zu Ende, aber das Rätselraten umdie Zukunft des «Projektleisters 2006» geht weiter.

«Wahnsinnig stolz» verabschiedete sich Klinsmann am Sonntag nachdem gigantischen Abschlussempfang vor dem Brandenburger Tor in denverdienten Urlaub, aus dem er vielleicht nicht mehr als Bundestrainerzurückkehren wird. «Tausend, tausend, tausend Dank, die Truppe isteinfach geil», rief er den Fans zu - allerdings ohne ein Versprechender persönlichen Wiederkehr.

«Ich persönlich brauche ein paar Tage, um das zu verstehen undsacken zu lassen. Es ist viel auf uns alle eingestürzt. Ich kann dasGanze noch nicht ordnen», gestand Klinsmann. Er genoss dieHuldigungen von Jung und Alt sowie seiner Mannschaft, aber dieEntscheidung will er im Kreise der Familie mit kühlem Kopf und inAbgeschiedenheit treffen. «Ich bin überwältigt und glücklich, dasssolche Wertschätzung und Komplimente aus vielen Bereichen kommen fürunsere Arbeit. Aber ich kann auch nur betonen: Wir Trainer könnenviel auf den Weg mitgeben, aber spielen tun die Jungs.»

Die Schluss-Fotos und abschließenden WM-Umarmungen mit seinenengsten Mitarbeiten nach dem 3:1-Sieg gegen Portugal, bei dernächtlichen Team-Party und beim schwarz-rot-goldenen Jubel am Tagdarauf auf der Berliner Fan-Meile gaben keinen letzten Aufschlussdarüber, was kommt. Auch die größten Experten konnten nur rätseln.Franz Beckenbauer meinte, nach der Überreichung der Bronze-Medailleeine «gewisse Bejahung» im Gesicht des Bundestrainers abgelesen zuhaben nach seiner Aufforderung, Klinsmann müsse jetzt weitermachen.Uwe Seeler, ein anderer deutscher Ehrenspielführer, deutete dieZeichen anders: «Jürgen weiß, dass die WM etwas Besonderes ist undder Alltag folgt. Wer Jürgen kennt, der muss nachdenklich werden.»

Klinsmann nährte beide Einschätzungen. Er kam seinem großen Zielganz nahe, seine Methoden haben gegriffen und die Spieler liegen ihmam Herzen. Er könne jetzt «normalerweise nicht» aufhören, meinteKapitän Ballack: «Wir machen ja auch weiter.» Aber gerade die Spielerwaren es auch, die daran erinnerten, das ihr Trainer viel Kritikwegstecken musste. «Jetzt ist alles Friede, Freude, Eierkuchen, aberer muss die gesamten zwei Jahre sehen», sagte Ballack.

Klinsmanns ausdrücklicher Dank an Angela Merkel sprach in dieserHinsicht Bände. «Ganz besonders stolz war ich, als ich die Kanzlerindrücken durfte, weil sie auf unserer Seite war, als es noch richtigum die Ohren gab vor ein paar Monaten nach dem Italien-Spiel inFlorenz. Da war sie eine der Wenigen, die aufgestanden ist und gesagthat: Lasst die Kerle jetzt endlich mal in Ruhe arbeiten.»

Auf die lange Bank schieben wird Klinsmann seine Zukunft nicht.Team-Manager Oliver Bierhoff kündigte ein Treffen schon für diekommende Woche an. Und ganz abtauchen würde Klinsmann auch dannnicht, wenn er dem DFB den Rücken kehren sollte und sich wieder inseine US-Wahlheimat zurückzöge. Für den negativen Fall möchte erwenigstens als «Helfer» und «Dienstleister» für die Nationalspielerzur Verfügung stehen: «Egal, wie jetzt die Entscheidung ausgeht,diese Bereitschaft und Nähe wird von meiner Seite aus immer da sein.»

Seine Familie, insbesondere seine Frau, wird maßgeblich mit an derEntscheidung über ein Weitermachen bis zur EM 2008 oder WM 2010beteiligt sein. «Es ist aber nicht so, dass praktischdie Debbie entscheidet, wer in Deutschland Bundestrainer wird»,sagte sein engster Berater Roland Eitel dem ARD-Hörfunk:«Letztendlich wird er die Entscheidung treffen.»

DFB-Präsident Theo Zwanziger hat Klinsmann wie bei dessenAmtsantritt 2004 praktisch wieder eine Carte Blanche zugesichert,falls sich der Wahl-Amerikaner zu einer Verlängerung seines am 31.Juli auslaufenden Vertrages entschließen sollte. «Grundsätzlichwollen wir das, was Klinsmann auf den Weg gebracht hat, weiter mitihm durchsetzen», betonte der DFB-Boss. Für den Fall, dass Klinsmanngeht, hat Zwanziger eine Übergangslösung bereits ausgeschlossen. Erstrebe dann «sofort» eine Lösung an, die bis zur EM 2008 trage.