Kanada Kanada: Manitoulin Island heißt Bleichgesicher willkommen

Wikwemikong/dpa. - Was die Damen da in der Thunderbird-Arena in Wikwemikong bieten, sieht nicht nach Tanzen aus. Sie tun nichts weiter als auf den Fußsohlen zu wippen. Doch Schiedsrichter starren auf ihre Mokassins, beobachten die Fransen und machen sich Notizen.
«Women's Traditional» heißt der Wettbewerb, der zu dem Pow Wow auf Manitoulin Island gehört. Jedes Jahr Anfang August findet auf der Insel in der Provinz Ontario die größte Indianer-Zusammenkunft in Kanada statt. Blackfeet, Bloods, Crees, Cheyennes - sie alle reisen an, um an den Tanzwettbewerben teilzunehmen und Freunde zu treffen.
Sänger und Trommler begleiten die Wettbewerbe mit Klängen, die «Bleichgesichtern» eine Gänsehaut einjagen. Die Tänze sehen einfach aus: Schritte und Choreografie scheinen beliebig. «Der Teufel liegt im Detail», sagt Dawn Madahbee. Die Ojibwa-Indianerin ist Direktorin einer Wirtschaftsförderungsgesellschaft und hat ihren Businessdress gegen ein mit Perlen und Stachelschweinnadeln verziertes Kostüm getauscht. Beim «Women's Traditional» verdeutlichten die Frauen ihre Verbindung zu Mutter Erde, indem sie so dicht wie möglich am Boden bleiben, aber aus Respekt so leicht wie möglich auftreten. Auch der Schwung der Fransen und des Schals sei für die Benotung wichtig.
Von 1930 bis in die siebziger Jahre war das Pow Wow verboten. Viele Indianer hätten damals heilige Requisiten wie Friedenspfeifen und Trommeln bei der katholischen Kirche abgegeben, sagt Dawn. Andere nahmen die rituellen Zusammenkünfte nur noch tief in den Wäldern vor. Das Wissen um ihre Bedeutung wurde nur von wenigen Ältesten bewahrt.
«Der Einmarsch zu Beginn jedes Pow-Wow-Tages erfolgt immer von Osten her. Dort geht die Sonne auf, dort beginnt alles», sagt Stanley Peltier. Im Kriegerkostüm sieht der 50-Jährige nicht gerade aus wie ein Hersteller von Tipi-Zelten. Die Disziplinen der Teilnehmer seien an den Kostümen erkennbar, sagt Stanley. «Die der Men's Traditional Dancer sind am einfachsten gehalten.»
Die «Fancy Feather Dancers» sind dagegen wahre Paradiesvögel: Über und über von Federn und Fransen bedeckt, tanzen sie die Tänze der Geheimgesellschaften, zu denen sich die Krieger einst zusammenfanden. Ihre Bewegungen sind schnell, die Choreografie erfordert Kondition. Die Kostüme der «Grass Dancers» wiederum tragen lange Fransen, die so zu bewegen sind, dass sie an das im Wind wogende Präriegras erinnern.
Die Kostüme der Frauen sind ebenfalls beeindruckend. «Wir arbeiten monatelang an unseren Kostümen», sagt Stanleys Frau Shaila. Die mit Rasseln und Glöckchen behängten Kostüme gehören den «Jingle Dress Dancers», die einen Heilungstanz darbieten. Viele jüngere Frauen und Mädchen tragen mit Fransen verzierte Schals um die Schultern. «Das sind die "Fancy Shawl Dancers"», sagt Shaila. Mit dem Schal imitierten sie, mit federnden Schritten auf und ab springend, den Flug des Schmetterlings von Blume zu Blume. Stanley wird konkreter: «Damit auch der dümmste Krieger sah, dass sie zu haben waren.»
Trommeln erklingen, Gesang setzt ein. Hoch und schrill schwillt er an und wieder ab. «Das sind Klänge tief aus dem Bauch. Von dort aus gehen sie ohne den Umweg übers Gehirn in den Mund. Das ist fast so wie bei Babys. Wir drücken damit unsere Gefühle aus», sagt Stanley. Shaila verabschiedet ihn mit einem Klaps aufs Gesäß zu den Mittänzern. Sie ist stolz auf ihren Mann. Und auf ihre Wurzeln, die sie in der von Weißen dominierten Welt sorgfältig pflegt.
Informationen: Ontario Tourism, c/o The Mangum Group, Sonnenstraße 9, 80331 München (Tel. zur Broschürenbestellung: 089/23 66 21 68). In diesem Jahr findet das Pow Wow in Wikwemikong vom 31. Juli bis 2. August statt.