Kanada Kanada: Holger Osieck ist mehr als ein «kleiner Kaiser»

Barsinghausen/dpa. - Die Zeiten des «kleinen Kaisers» sind längst vorbei. Den Makel, nur der Handlanger von Franz Beckenbauer zu sein, hat Holger Osieck abgelegt. Seit viereinhalb Jahren arbeitet der 54- Jährige bei Kanadas Fußball-Verband und ist dort viel mehr als nur der Übungsleiter für die Nationalmannschaft. Der ehemalige DFB- Angestellte ist in dem riesigen Land für die gesamte Trainerausbildung und die Koordination der Nachwuchsarbeit zuständig. «Das ist der umfangreichste Teil meiner Arbeit», sagt Osieck, der mit seinem Team am Sonntag in Wolfsburg auf Deutschland trifft.
Osieck ist sesshaft geworden. Die mäßig erfolgreichen Wanderjahre nach der Weltmeisterschaft 1990 mit Abstechern in Frankreich, beim VfL Bochum, in Japan und in der Türkei sind vorerst vorbei. Trotzdem sitzt der gebürtige Gelsenkirchener mindestens einmal pro Woche im Flugzeug. «Kanada ist halt etwas größer», sagt der ausgebildete Sport- und Englisch-Lehrer lapidar über den Fußball-Zwerg.
Sein wichtigstes Arbeitsgerät ist nicht der Ball, sondern der Computer. «Wenn ich nicht auf Reisen bin, hänge ich am Laptop», erklärt Osieck schmunzelnd: «Den Kontakt zu den Spielern halte ich per E- Mail.» Weil die meisten kanadischen Nationalspieler in aller Herren Länder verteilt und die Zeitunterschiede zu groß sind, kommt Telefonieren nur selten in Frage. Die Überprüfung der aktuellen Form seiner Favoriten erfolgt ebenfalls über das das weltweite Netz: «Die Spielberichte suche ich im Internet.» Und auch mit der Zentrale des Verbandes in Ottawa kommuniziert der in Toronto lebende Trainer über die Datenautobahn.
Seit Montag hat Osieck in Barsinghausen bei Hannover auf seine Spieler gewartet: «Die tröpfeln nach und nach ein.» Den weitesten Weg hatte Tony Menezes, der im chinesischen Ganzu sein Geld verdient. Den kürzesten Julian de Guzman von Hannover 96, neben Werder Bremens Paul Stalteri der zweite Bundesliga-Spieler der Kanadier.
Für seine Spieler sei es «attraktiv und ehrenvoll» gegen den Vize- Weltmeister zu spielen. «Die Voraussetzung sind allerdings ganz unterschiedlich», sagt Osieck: «Für Deutschland ist es nur eine Vorbereitung für die EM-Qualifikation, für uns ist es ein bedeutendes Spiel.» Die Partie wird sogar live im kanadischen Fernsehen übertragen. «Das ist nicht unbedingt üblich.»
Große Hoffnungen auf einen Erfolg macht sich der ehemalige DFB- Angestellte für das Spiel am Sonntag nicht. Tomasz Radzinski vom FC Everton fällt als bester Spieler aus. Schließlich gehören zu Kanadas Besten auch Kicker aus der heimischen, höchstens zweitklassigen A- League sowie Regionalliga-Spieler wie Maycoll Canizales von den Werder-Amateuren.