José Carreras besucht Leukämiepatienten
München/dpa. - Dieses Mal betritt der kleine Mann keine Bühne, sondern ein Krankenhaus. Trotzdem heften sich sofort alle Blicke auf ihn.
«Sie haben uns das Leben gerettet», sagt eine Frau mit Kopftuch, die gerade erst ihre Chemotherapie hinter sich gebracht hat. Das sind Worte, die den spanischen Startenor José Carreras wohl mehr berühren als stundenlange Ovationen nach einem Opernauftritt. Bei seinem Besuch in der nach ihm benannten Transplantationseinheit im Klinikum München-Großhadern traf sich der 61-Jährige mit Leukämiepatienten und versuchte, ihnen Hoffnung zu machen.
Carreras weiß, wovon er spricht. Seit er 1987 selbst an Leukämie erkrankte und dank neuer Behandlungsmöglichkeiten geheilt wurde, setzt er sich für den Kampf gegen den Blutkrebs ein. «Der medizinische Fortschritt hat mein Leben gerettet», sagt Carreras. Die Großzügigkeit und Solidarität, die er während seiner Krankheit erfahren hat, will er weitergeben. In Spanien, Deutschland, den USA und der Schweiz gründete er gemeinnützige Organisationen, die Forschungsprojekte und die Einrichtung von Transplantationseinheiten wie in München fördern. Allein die Deutsche José Carreras Leukämie- Stiftung sammelte seit 1995 etwa 130 Millionen Euro an Spenden - nicht zuletzt dank der großen TV-Spendengala, die Carreras seit 14 Jahren organisiert. «Leukämie soll vollständig heilbar werden - in jedem Fall», gibt Carreras die Zielrichtung vor.
Mit grüner Plastikhaube, Mundschutz und Handschuhen ausgestattet steht er am Bett einer Patientin und lässt sich ihre Geschichte erzählen. Seine österreichische Frau, Jutta Jäger-Carreras, ist als Übersetzungshilfe mit dabei. Die Patientin hatte ihre Behandlung abgebrochen und war zu einem Schamanen gegangen, der ihr nicht helfen konnte. Also entschied sich die Mutter von vier Kindern doch für eine Knochenmarktransplantation. «Mein Mann hofft fest, dass ich Weihnachten heimkomme», sagt die Frau, die seit zwei Monaten eines der 24 sterilen Zimmer der Münchner Transplantationseinheit belegt.
Vor einer Knochenmarktransplantation wird das gesamte blutbildende System der Leukämiekranken durch Chemo- oder Strahlentherapie zerstört. Daher sind sie in der Zeit vor und nach einer Transplantation extrem gefährdet. «Schon ein Husten kann tödlich enden», erklärt Jutta Jäger-Carreras, die sich noch gut an die Krankheit ihres Mannes erinnern kann. Er wurde in Seattle behandelt. «Ich war damals Flugbegleiterin und flog immer zu ihm, wenn ich ein paar Tage frei hatte», sagt sie. Noch heute muss sich der Tenor alle drei Monate die Blutwerte kontrollieren lassen, seine Frau sagt: «Er hat keine Angst, dass die Krankheit zurückkehren könnte».
Carreras besucht etwa drei Stationen pro Monat und informiert sich über den Gesundheitszustand der Patienten. «Zu sehen, wie viele von ihnen wieder ganz gesund werden, ist ein wundervolles Geschenk», beschreibt er seine Arbeit. Der Leiter der Münchner Transplantationseinheit, Professor Hans-Jochem Kolb, spürt die positiven Auswirkungen der Stiftung ganz konkret: «Früher mussten wir Patienten wegschicken, weil wir nicht genug Platz hatten. Heute muss kein Patient länger als ein Monat auf eine Transplantation warten», sagt Kolb. Auch er hofft, dass Leukämie eines Tages völlig heilbar wird: «Angesichts des rasanten medizinischen Fortschritts der letzten Jahre ist das durchaus realistisch».