1. MZ.de
  2. >
  3. Varia
  4. >
  5. Morbides Rätsel: Jessen: Angler an der Elbe finden Leichenhand im Magen eines Wels

Morbides Rätsel Jessen: Angler an der Elbe finden Leichenhand im Magen eines Wels

Von Alexander Baumbach und Anne Nicolay-Guckland 14.09.2016, 17:16
Ein Wels aus der Elbe (Symbolbild)
Ein Wels aus der Elbe (Symbolbild) Wozny

Schützberg/Jessen - Es ist Nacht an der Elbe zwischen Klöden und Schützberg. In den frühen Morgenstunden des Sonntags tut sich bei zwei Anglern am Ufer der Elbe etwas. Der Fang, den sie um 2.30 Uhr an Land ziehen, hat es in sich - im wahrsten Sinne des Wortes.

Der Wels, größter Süßwasser-Raubfisch der Nation, misst 1,63 Meter Länge. Der Koloss wiegt rund 30 Kilogramm. Tiere dieser Größe sind alt. Sie jagen im Dunkeln oder in der Dämmerung.

Andere Angler berichten von stundenlangen, zermürbenden Kämpfen mit den Monstern der Tiefe. Was dieser hier im Bauch hat, treibt einem die Gänsehaut auf den Rücken.

Wasserleichen an der Elbe können teilweise enorme Stücke mit der Strömung fortgetragen werden. Im Mai 2015 fanden Mitarbeiter des Wasser- und Schifffahrtsamtes bei einer Routine-Kontrollfahrt den leblosen Körper eines älteren Mannes bei Apollensdorf in der Fahrrinne an einer Boje hängend. Im Verlauf der polizeilichen Ermittlungen wurde festgestellt, dass der Mann neun Tage zuvor in Riesa (Sachsen) verschwunden war. „In Torgau haben wir auch schon Wasserleichen geborgen, die aus Tschechien stammten“, erklärte Andreas Starke, Revierleiter des Torgauer Polizeireviers seinerzeit gegenüber der MZ. Eine Ausnahme bildete der Fall eines ertrunkenen Asylbewerbers in Vockerode. Der Mann war Anfang September in der Elbe baden gegangen und in einem Buhnenfeld untergegangen. Die Strömung riss ihn nicht mit und dreieinhalb Stunden nach dem Verschwinden des 19-Jährigen aus dem Niger wurde er von einem Suchboot der Deutschen Lebensrettungs-Gesellschaft (DLRG) aus Wittenberg gefunden. Im Bergwitzsee hatte die Region intensiv Anteil genommen an der Suche nach einem Rentner, der am 4. August 2015 beim Schwimmen in dem beliebten Badesee untergegangen war. Am 4. September wurde der Leichnam von Polizeitauchern geborgen. Zwischenzeitlich waren Leichenspürhunde, Helikopter, Taucher, Suchboote mit Sonar und sogar ein Tauchroboter zum Einsatz gekommen. (mz/guc/ba)

Morgens gegen 8.45 Uhr schicken sich die beiden Angler an, den Wels zu öffnen. Im Bauch des Fisches machen sie einen grausigen Fund: eine rechte Hand. Sie ist skelettiert. Die Polizei wird informiert.

„Die Kriminalpolizei hat die Ermittlungen zur Todesursache aufgenommen. Das ist gängige Praxis beim Auffinden von Leichenteilen. Nach erster Einschätzung handelt es sich um die Hand eines Menschen“, erklärt Polizeisprecher Sebastian Opitz noch am Sonntag auf Nachfrage der Mitteldeutschen Zeitung. Die Polizei steht vor einem Rätsel. Handelt es sich um die Hand einer Frau oder eines Mannes? Wo ist der Rest des Leichnams? Und vor allem: wie kam die Hand in den Bauch des Fisches?

Die erste Vermutung, dass der Räuber sie dem Handbesitzer abgebissen haben könnte, widerlegt Jörg Flämmig, Berufsfischer in dem Flussabschnitt zwischen Pretzsch und Griebo.

„Der Fund wundert mich nicht, man findet die tollsten Sachen im Wels-Magen, bisher kannte ich aber nur kleinere Nager wie Bisamratten oder Wasservögel“, erklärt der Berufsfischer. Der Fund vom Wochenende sei allerdings schon sehr kurios.

„Ich dachte, ich höre nicht richtig“, staunt Flämmig. Denn egal, was der Wels fresse, er muss es komplett in sein Maul bekommen, da der Fisch keine scharfen Zähne hat, um von Teilen seiner Beute abzubeißen. Flämmig glaubt nicht daran, dass der Fisch von einer Wasserleiche abgebissen haben könnte.

Der Wels gehört zu den größten heimischen Raubfischen: Der schwerste Fisch, der in Deutschland gefangen wurde, war 113 Kilogramm schwer und 2,58 Meter groß. Auch an der Elbe, wo der Wels seit den 1990er Jahren wieder heimisch geworden ist, wurden schon Tiere mit über zwei Metern Länge gefangen. Der Wels ist ein Allesfresser, neben Fischen, wie Bleien fressen die Tiere auch Entenküken oder andere Wasservögel und Krebse. Welse sind vorwiegend nachtaktive Tiere. Im Fluss suchen sich die Tiere, sobald sie selbst Nachwuchs zeugen können, ein Revier und bewegen sich nur in einem bestimmten Gebiet.

Dennoch gibt es auch Berichte von Angriffen des Räubers auf Menschen. Im Stauseebad Cossebaude (Sachsen) wird im Sommer 2014 nach Medienberichten eine 76-jährige Rentnerin beim Schwimmen von einem Wels am Oberschenkel attackiert. Im Berliner Schlachtensee kommt es immer wieder zu Berichten über Wels-Attacken auf Schwimmer, zum letzten Mal im Juli 2014.

„Der Wels ist kein Hai, sondern ein träger Raubfisch. Wenn etwas vorbei schwimmt, dann schnappt er zu“, erklärt der Berufsfischer Jörg Flämmig. Welse bringen nur wenig Energie zum Jagen auf. Wenn Beute vorbei schwimmt, öffnet das Tier sein Maul, es entsteht eine Sogwirkung und wird in das Innere des Tieres gezogen. Wenn Welse Menschen angreifen, dann wahrscheinlich, um ihren Nachwuchs zu schützen. Laichzeit ist zwischen Mai und Juli.

Merkwürdig an dem gruseligen Angler-Fund ist, dass Welse eigentlich kein Aas zu sich nehmen. Mehrere Angler berichten, dass die Tiere frische Kost bevorzugten.

Bei den derzeitigen warmen Temperaturen arbeitet die Verdauung auf Hochtouren, sehr lange dürfte die Hand deshalb nicht im Magen des Raubfisches gewesen sein, so die Mutmaßung. Antworten geben sollen nun die Rechtsmediziner. Anhand der Knochen gilt es, Geschlecht und Alter des Menschen zu prüfen.

„Das dauert vermutlich ein paar Wochen“, erklärt Polizeisprecher Sebastian Opitz. Wenn das geklärt sei, versuche man, die Skeletthand in Beziehung zu offenen Vermisstenfällen zu setzen. Den beiden Anglern geht es gut.

Für ein Gespräch mit der MZ waren beide am Montag nicht zu erreichen. Auch der Landesanglerverband wollte sich nicht äußern. (mz)