Jan Ullrich Jan Ullrich: Im Touristen-Tempo zur Tour-Form

Merdingen/dpa. - Im Touristen-Tempo strampelt sich Jan Ullrich inTour-Form. «Ich fahre zur Zeit zwei Mal am Tag jeweils zwei bis dreiStunden. Die erste Woche habe ich einen Stundendurchschnitt von 27Kilometern geschafft - wie Touristenfahrer. Jetzt bin ich schon bei31», beschrieb der rekonvaleszente Olympiasieger sein Aufbau-Trainingim heimischen Schwarzwald nach vierwöchiger Trainingspause, die ihmeine Reizung am rechten Knie eingetragen hatte. «Er wollte esbesonders gut machen und ging im Janaur im Trainingslager aufMallorca ins Kraftstudio und hat dort wahrscheinlich übertrieben»,nannte Trainer Peter Becker Gründe für Ullrichs Leiden.
«Der Start beim Giro d'Italia am 11. Mai ist mein großer Wunsch,aber die Zeit ist verdammt knapp. Als Alternative kämen dieDeutschland-Rundfahrt und die Tour de Suisse als direkte Vorbereitungzur Tour de France in Frage», sagte Ullrich, der nach den ersten zehnTagen vorsichtigem Trainings-Aufbau «ohne Schmerzen» ist. Wenn dieBeschwerden kamen, war es oft so «als bekäme ich Messerstiche insKnie». In den nächsten zwei Wochen will der 28 Jahre alte Toursiegervon 1997 sein Pensum rund um Merdingen langsam steigern, aber nochkeine Rennen bestreiten.
Ein Viererrat aus Telekom-Teamchef Rudy Pevenage, Mannschafts-ArztLothar Heinrich, Becker und Ullrich wollten am Donnerstag inMerdingen über das weitere Vorgehen beraten. «Anfang Mai werden wirwahrscheinlich entscheiden können, ob es mit dem Giro Zweck hat. Mirfehlen zur Zeit 5000 bis 6000 Kilometer», sagte Ullrich, der seinengroßen Saisonplan nicht aus den Augen verloren hat: «Die Tour deFrance ist mein großes Ziel.»
Inaktivität war in den vergangenen Jahren beim GenussmenschenUllrich oft der Auslöser für gewisse Gewichtsprobleme. Die plagen ihnzur Zeit am allerwenigsten. Er sieht zwar nicht asketisch wie zuTour- oder WM-Zeiten aus, ist aber weit entfernt von manch bekannterOptik aus den Jahren 1999, 2000 oder 2001. «Das Gewicht ist okay. Anden Oberschenkeln hat er natürlich etwas Muskelmasse verloren, aberdas ist nach so langer Pause normal. Das holt er wieder auf», istsich der Mediziner Heinrich sicher.
Damit die Tafelfreuden Spaß machen, aber keine unnötigen Spurenhinterlassen, wird Ullrich in seinem Heimatort Merdingen seit Montagwieder von seinem Leibkoch Walter Grözinger versorgt. Nach fünfStunden auf dem Rad gab es am Mittwochabend frischen Spargel undLachs, zum Frühstück am Donnerstag selbst gebackenes Dinkel-Brot vonGrözinger, der auch schon die Industriellen-Familie Flick bekochthat.
Ullrich begann im Dezember so früh mit dem Training wie nie zuvorund hatte seinen ersten Wettkampf bereits im Januar bei der Katar-Rundfahrt. Aber dann kamen die Knie-Probleme, die ihn sogar dasTrainingslager in Südafrika unterbrechen ließen. Vorgesehene Startswurden seit März immer wieder verschoben. Nachdem die Mediziner nacheingehenden Untersuchungen Grünes Licht gegeben hatten, befindet sichder Olympiasieger seit dem 8. April wieder im Training auf dem Rad.
Sein großer Widersacher Lance Armstrong ist schon längst voll beider Sache. Der dreifache Toursieger aus Texas fuhr bisher erfolgreichzwei der drei Weltcup-Rennen und gilt am übernächsten Sonntag beimAmstel Gold-Race als Topfavorit.