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Helsinki im Winter

15.10.2002, 14:29

Helsinki/dpa. - .

Jedes Jahr Ende November verlässt er das «Weihnachtsmanndorf»Korvatunturi in der Nähe des Polarkreises, um per Sonderzug nachHelsinki zu reisen - und damit offiziell den Beginn derWeihnachtszeit einzuläuten. Inoffiziell wird allerdings schon langevorher gefeiert: «Pikkujoulu» - kleine Weihnachten - heißen dieZusammenkünfte, die im Kollegen- und Freundeskreis ab Anfang Novembermit viel Essen und Alkohol gefeiert werden. In diesem Jahr dürftenmanche Feiern etwas kleiner ausfallen als sonst - der Bombenanschlagauf ein Einkaufszentrum nahe Helsinki mit sieben Toten am 11. Oktoberhat im Lande die sonst so fröhliche Stimmung erheblich gedrückt.

Viele Restaurants in Helsinki stellen für das «Kleine Weihnachten»allerdings ihre Speisekarten auf spezielle Menüs um. Serviert wirddann etwa Schinken mit Möhren- und Kartoffelauflauf - für Touristenbietet das eine Gelegenheit, finnische Weihnachtstraditionen kennenzu lernen.

Gerade durch die vielen Feierlichkeiten im Vorfeld hat Weihnachtennicht nur bei den kleinen Finnen einen ganz besonderen Stellenwert.Die Weihnachtszeit lässt den langen, dunklen Winter etwas hellererscheinen - entsprechend groß sind überall Vorfreude und Aufregung.

So auch am Hauptbahnhof: Um Punkt 12.15 Uhr rollt der von einerDampflok gezogene Sonderzug des Weihnachtsmannes ein. Als erstessteigen die Weihnachtswichtel aus dem Zug und kündigen mit lautenTrommelwirbeln die wichtigste Person des Tages an. Als derWeihnachtsmann schließlich aus dem Zug steigt, wird der Lärm fastOhren betäubend. Mit orangefarbenen Westen bekleideteSicherheitskräfte versuchen hektisch, ihn vor der schiebendenMenschenmenge zu schützen.

Der weißbärtige «Joulupukin» bleibt zunächst gelassen, schütteltzahllose Hände, tätschelt Kinderköpfe. Doch plötzlich hat er eseilig. Im Laufschritt verlässt er - von Leibwächtern begleitet -durch den Hinterausgang die Bahnhofshalle. Um 12.30 Uhr hat derWeihnachtsmann seinen ersten Termin in der Innenstadt. Damit seinvollgepacktes Tagesprogramm nicht völlig durcheinander gerät, darf erjetzt keine Zeit verlieren.

Die Reise wird in der Kutsche fortgesetzt, begleitet von Dutzendenvon rotbemützten Wichteln, fantasievoll verkleideten Schneehasen und-flocken, der eisig-schönen Schneekönigin und natürlich vonRentieren. Überall an der Strecke stehen Menschen, bestaunen denUmzug und winken dem Weihnachtsmann und seinem Gefolge begeistert zu.

Am «Kolmensepänaukio», dem «Platz der drei Schmiede», am Beginnder Fußgängerzone drückt der Weihnachtsmann gemeinsam mit derBürgermeisterin auf den Knopf für die Weihnachtsbeleuchtung. Und voneiner Sekunde auf die andere erstrahlt das im Winter ansonstenweitgehend im Dämmerlicht liegende Helsinki in feierlichem Glanz.Zahllose Lichterketten spiegeln sich in den Schaufenstern der großenKaufhäuser, als die Weihnachtsmann-Truppe ihren Weg RichtungSenatsplatz fortsetzt.

Die überall in der Fußgängerzone aus großen Lautsprechernschallende Weihnachtsmusik ist im historischen Zentrum von Helsinkinur noch leise zu hören. Wie eine dicke Daunendecke schluckt dertiefe Schnee auf dem Senatsplatz allen Lärm. Auf der breiten Treppezum Dom, der den Platz majestätisch überragt, sitzen an schönenSommertagen etliche Touristen und Studenten der angrenzendenUniversität. Jetzt ist nur ein schmaler Pfad freigeräumt, der denAufstieg zum Dom zur rutschigen Kletterpartie werden lässt.

Vom Dom aus fällt der Blick über die vom deutschen ArchitektenCarl Ludwig Engel im 19. Jahrhundert entworfenen klassizistischenGebäude hinüber in Richtung Hafen. Dort hebt sich ein weiteresWahrzeichen Helsinkis golden schimmernd gegen den fahlen Winterhimmelab: Die russisch-orthodoxe Uspenski-Kathedrale versetzt mit ihrenzahlreichen glänzenden kleinen und großen Kuppeln Helsinki-Besucherfür einige Momente nach Moskau oder St. Petersburg - und zeigt dengroßen Einfluss, den der mächtige Nachbar im Osten lange Zeit auf daskleine Finnland hatte.

Vor der Kathedrale - der größten russisch-orthodoxen Kirche derwestlichen Welt - erstreckt sich direkt neben dem Hafenbecken derMarktplatz, «Kauppatori» genannt. Während in der Markthalle, der«Kauppahalli», in erster Linie kulinarische Spezialitäten wieRentierschinken verkauft werden, bieten die Händler im Freien imWinter vor allem Souvenirs an. Gehandelt werden kann hier zumBeispiel um dicke Fellhandschuhe oder bunte Strickmützen, nachAngaben der Marktfrauen «alles original aus Lappland».

Dazwischen stehen kleine Kaffeezelte, in denen nicht nur dieHeizung dafür sorgt, dass den Gästen wieder warm wird. Ein «Kaffeemit Schuss» lässt für die nächste halbe Stunde vergessen, wie dieklirrende Kälte auf längeren Spaziergängen langsam in den ganzenKörper kriecht.

Helsinki ist auf drei Seiten vom Wasser umgeben. Im Sommer ist dasMeer mit seinen zahlreichen vorgelagerten Schäreninseln eines derbeliebesten Ausflugsziele für Einheimische und Touristen. Im Wintersind die Wege entlang der Uferbefestigung dagegen weitgehendverlassen. Der Blick fällt auf die Eisbrecher, die noch untätig imHafenbecken vor sich hindümpeln - noch ist es nur ein dünner Eisfilm,der die Wasseroberfläche überzieht. Doch am Rand des Hafenbeckenstürmt sich das Gefrorene schon zu Eisplatten zusammen. Wie Zuckergusswirkt das Eis, das in immer dickeren Schichten die Felsen am Uferummantelt. Die Eisbrecher werden bald in Aktion treten müssen.

Der Weihnachtsmann ist mit seinem Tross inzwischen dort angelangt,wo Helsinki am prächtigsten ist: «Esplanadi» heißt die Edelmeile derfinnischen Hauptstadt, in der alle großen Marken des Landes ihreWaren im luxuriösen Rahmen präsentieren. Um den schmalen Park in derMitte des Boulevards rauscht normalerweise der Verkehr, heute jedochbremsen der Weihnachtsmann und jede Menge Schnee und Eis dieAutofahrer aus. Fußgänger können auf der «Esplanadi» dagegen selbstim tiefsten Winter gemütlich bummeln, ohne sich kalte Füße zu holen.Die technikbegeisterten Finnen haben unter den Gehsteigen vor denNobelgeschäften einfach Heizungen installiert.

In den anderen, den weniger exklusiven Einkaufstraßen, mussdagegen mit der «Heizung von innen» gegen die Kälte angegangen werden- zum Beispiel mit «Glögg». Aus dampfenden großen Kesseln wird derGlühwein überall in der Stadt verkauft, so auch in der parallel zur«Esplanadi» verlaufenden Straße Aleksanterinkatu.

Die Haupt-Fußgängerzone Helsinkis entwickelt sich in derVorweihnachtszeit zu einem Treffpunkt der Shopping-Freunde. VomKaufhaus «Stockmanns», dem größten Kaufhaus Skandinaviens am oberenEnde bis zum Senatsplatz am unteren Ende reiht sich ein Geschäft andas andere. Gegenüber vom Dom findet sich dort, von außen nicht aufAnhieb zu erkennen, der Kisselef-Basar - eine Ansammlungverschiedener kleiner Läden unter einem Dach, die hauptsächlichKunsthandwerk anbieten. Vor Weihnachten türmt sich hierWeihnachtsdekoration aller Art, vom Strohstern bis zu Engelsfiguren,von Christbaumkugeln bis zu Adventskalendern.

Am frühen Nachmittag setzt bereits die Abenddämmerung wieder ein.Gegen 16.00 Uhr ist es dunkel - und der ansonsten oft unbeachteteEsplanadi-Park stellt plötzlich die hell erleuchteten Schaufenster inden Schatten. Riesige, im tiefen Schnee versenkte Teelichter tauchenden Park in ein fremdartiges Licht. In den Schneekristallen brichtsich der Kerzenschein so, dass sie wie kleine Sterne funkeln.

Vom Meer her treibt der Wind schon wieder neue Schneeflocken heran- kleine, zarte Gebilde, die glitzernd an Schals, Mützen und Mäntelnhängen bleiben. Spätestens in diesem Moment ist klar: DerWeihnachtsmann ist vielleicht am Polarkreis zu Hause, seinenZweitwohnsitz hat er aber ganz bestimmt in Helsinki.

INFO-KASTEN: Helsinki

REISEZIEL: Helsinki liegt an der südlichen Spitze Finnlands direktam finnischen Meerbusen. Mit rund 530 000 Einwohnern ist es diegrößte Stadt des Landes und - auf dem 60. nördlichen Breitengradgelegen - eine der nördlichsten Hauptstädte der Welt.

ANREISE: Die schnellste Anreisemöglichkeit ist die mit demFlugzeug. Linienflugverbindungen etwa mit Finnair oder Lufthansawerden von mehreren Flughäfen in Deutschland aus angeboten. Außerdemist die finnische Hauptstadt per Schiff beispielsweise von Travemündeoder Rostock aus zu erreichen.

KLIMA UND REISEZEIT: Die Temperaturen sinken im Winter in Helsinkinormalerweise unter den Gefrierpunkt. Durch die Nähe zum Meer kanndie Kälte oft unangenehm feucht wirken. Im Gegensatz zum Rest desLandes liegt in Helsinki nur in manchen Wintern eine dickeSchneedecke - wenn es schneit, können jedoch innerhalb wenigerStunden wahre Schneemassen fallen.

WÄHRUNG: Zahlungsmittel ist der Euro. Das Preise entsprechenungefährt dem Niveau in Deutschland.

INFORMATIONEN: Finnische Zentrale für Tourismus, Lessingstraße 5,60325 Frankfurt (Tel.: 069/719 19 80, Fax: 069/724 17 25, E-Mail:[email protected], Internet: http://www.finland-tourism.com/de).

ACHTUNG: Am kommenden Dienstag (22. Oktober) sendet der Themendiensteinen Reisebericht über Kitzbühel von Hilke Segbers.