Hay-on-Wye in Wales ist eine Fundgrube für Bücherfans
Hay-on-Wye/dpa. - Am 1. April 1977 erklärten die Bewohner von Hay-on-Wye ihre «Unabhängigkeit» von Wales, und Richard Booth ernannte sich selber zum «König» des 1500-Seelen-Ortes.
Politische Verwicklungen gab es darauf aber nicht, denn es handelte sich nur um einen Aprilscherz, mit dem Booth auf Hay-on-Wye aufmerksam machen wollte. Der Brite schuf einst an der Grenze zu England die weltweit erste Stadt, in der sich fast alles um Bücher dreht - bis heute.
Den Grundstein legte Booth mit der Eröffnung eines Buchladens 1961. Zehn Jahre später kaufte er die Burg Hay, die über dem Ort thront, und machte auch sie zu einer Fundgrube für gebrauchte Bücher. Inzwischen ist sogar das Kino voller Bücher, und in mehr als 40 weiteren Antiquariaten können «Bücherwürmer» wahre Schätze entdecken.
Alleine in «Richard Booth's Bookshop» an der Lion Street gibt es mehr als eine halbe Million Bücher, sortiert in 2000 Kategorien von «Walisischer Topographie» bis «Genealogie». Nach Einschätzung des Chefs ist das Geschäft der «größte Secondhand-Buchladen der Welt». In Vitrinen sind die wertvolleren Exemplare ausgestellt, auf dem Boden reiht sich ein Bücherstapel an den anderen mit der preiswerten Ware. Dazu gibt es ganze Sammlungen von Postkarten oder Zeitschriften.
Eine Anglistik-Studentin aus Deutschland stolpert über die knarrenden Dielen. Neben ihr niest ein Mann, denn die Luft hängt voller Staub. Die Atmosphäre in den Verkaufsräumen erinnert an einen alten Dachboden. Aus einem schiefen Holzregal zieht die junge Frau einen Roman. Das Brett ist voller Holzspäne, das Buch leicht vergilbt. «Nach dieser Ausgabe habe ich in Deutschland vergebens gesucht. Sie ist dort schon vergriffen», sagt sie. Die Preise variieren, sind aber nicht überteuert. Die Werke sind ab etwa drei Euro zu haben. Für eine Erstausgabe britischer Literatur müssen Bücherliebhaber auch schon mal mehr als 3000 Euro hinblättern.
Einer der Läden ist fast immer geöffnet: Der «Honesty Bookshop» erstreckt sich rund um die Burganlage auf einer Rasenfläche. Von Wind und Wetter gezeichnet stehen hier gebrauchte Bücher in rostigen, schiefen Regalen. Die Literatur ist bunt gemischt: Charles Dickens steht hier neben dem Groschenroman. Alle festeingebundenen Bücher kosten knapp einen Euro, Taschenbücher etwa 50 Cent. Personal gibt es nicht. Das Vertrauen in die Kunden ist groß: Die Käufer stecken ihr Geld in aufgestellte Spardosen oder einen Briefschlitz an der Burg.
Nicht nur Touristen oder «Schatzsucher» stöbern in der Stadt. Der Bedarf an Lesestoff ist auch bei den Einheimischen groß: «In Wales regnet es manchmal tagelang. Da braucht man einen großen Vorrat an Büchern», sagt ein älteres Ehepaar aus der Region.
Booth will in Hay-on-Why ein Zeichen gegen die Einförmigkeit der Handelsketten setzen. Außerdem ist es sein Ziel, die ländliche Region durch Tourismus zu beleben. Die Ortslage sei ideal, denn Hay-on-Wye befindet sich zwischen Bristol und Birmingham in einer bergigen Landschaft - weit genug weg vom kommerziellen London. Literaturfans treffen sich hier auch zu Festivals und Lesungen in den Cafés.
Inzwischen gibt es ähnliche Bücherstädte zwar auch in Frankreich, Belgien und in Wünsdorf bei Berlin. Doch in Hay-on-Wye befindet sich immer noch die größte Auswahl an Secondhand-Büchern.
Informationen: Hay-on-Wye Tourist Information, Telefon von Deutschland: 0044/1497/82 01 44; Visit Britain, Hackescher Markt 1, 10178 Berlin, Telefon: 01801/46 86 42 (zum Ortstarif)
Visit Britain: www.visitbritain.com
Hay-on-Wye Tourismus: www.hay-on-wye.co.uk
Secondhand-Buchladen: www.richardbooth.demon.co.uk