Handball Handball: Enthüllungen nehmen keine Ende
Kiel/Paris/dpa. - Im Interview mit der Sportzeitung «L'Equipe» sagte Reveret, er habebeim Bankett nach dem Final-Hinspiel zwischen Swesda Swenigorod undHypo Niederösterreich (25:24) von einem Russen «einen Umschlag mitvielen Euro» bekommen. Es sei das erste Mal, dass man versucht habe,ihn mit Geld zu beeinflussen. «Mit hübschen Mädchen war das schon einoder zweimal passiert.» Den Umschlag habe er umgehend zurückgegeben.
Der deutsche Rekordmeister THW Kiel hat indes von derStaatsanwaltschaft Einsicht in die Ermittlungsakten bekommen. ManagerUwe Schwenker, gegen den die Kieler Staatsanwaltschaft wegen desVerdachts der Untreue ermittelt, sagte am Mittwochabend vor demAuswärtsspiel gegen FrischAuf Göppingen, dass er sich die Unterlagen«in den nächsten Tagen in Ruhe» anschauen werde. Bislang hat er nacheigener Aussage noch keinen Einblick genommen.
Zudem betonte Schwenker im Deutschen Sportfernsehen (DSF), wenn esetwas zu erklären gebe, werde er es «gegenüber der Staatsanwaltschaftund nicht den Medien» tun. Allerdings kommentierte Schwenker danndoch Aussagen Andreas Rudolph, Präsident des HSV Hamburg. Dieserbehauptet, Schwenker habe im Sommer 2007 bei einem Besuch auf seinemAnwesen gesagt: «Andreas, die Champions League werdet ihr niegewinnen. Ich brauchte lange, um zu erfahren, dass dafürSchiedsrichter bestochen werden müssen.» Dazu sagte der THW-Manager:«Aus meiner Sicht ist es nicht so gefallen.» Im Détail werde er dazuaber nichts weiteres sagen.
Der europäische Handball-Verband EHF hat unterdessen bestätigt,dass die von Reveret genannten Unparteiischen in Russlandangesprochen worden sind. Die Tatsache, dass der Bestechungsversucherst nach dem Spiel erfolgt sei, nannte Reveret komisch, «weil esselten passiert, dass ein Schiedsrichter-Duo nach dem Hin- auch dasRückspiel pfeift». Der langjährige Manager von Hypo Niederösterreich,Gunnar Prokop, bestreitet diese Version. «Die Zwei sind damals schonvor dem Spiel und in der Pause kontaktiert worden. Sie haben auchschlecht gepfiffen», sagte Prokop auf einer Pressekonferenz in Wien.
Prokop belastete indirekt auch das deutsche Duo Frank Lemme/BerndUllrich, welches das Rückspiel leitete. «Da war kein Geld im Spiel,dafür brachte ein guter Pfiff die Deutschen ins Olympia-Endspiel»,sagte er. Das Rückspiel verlor der österreichische Serienmeister mitzwei Toren, Swenigorod holte den Titel. Schiedsrichter-Chef der EHFwar damals der mittlerweile verstorbene Russe Alexander Kozhukov.Ausgerechnet Deutschlands Star-Schiedsrichter Lemme/Ullrich hattendurch einen verschwiegenen Bestechungsversuch die Lawine ins Rollengebracht. Der Fund von 50 000 Dollar im Gepäck der Magdeburger beider Ausreise nach einem Europacup-Endspiel in Russland 2006 hat derSportart einen gewaltigen Imageschaden zugefügt und den Ruf nacheinem Großreinemachen laut werden lassen.
Da er und sein Verein, der bislang achtmal die Champions Leaguegewann, offenbar Opfer einer Bestechung gewesen seien, dachte Prokopzwischenzeitlich auch über eine Schadenersatzklage nach. «Sie wärevielleicht nicht chancenlos gewesen, doch die paar Euro hätten dienicht gewonnene Champions-League-Trophäe nicht wettmachen können»,betonte er und fügte hinzu: «Im Sport ist es das Größte, mit demPokal auf dem Podest zu stehen. Am Grünen Tisch einen Titel zu holen,ist hingegen keine Freude und keine Befriedigung.»
EHF-Vizepräsident Jean Brihault bestätigte zwar, dass man zweiBestechungs-Anzeigen erhalten habe. «Das Problem aber war, dass inbeiden Fällen die Akteure der (Manipulations-)Vorschläge nichtidentifiziert werden konnten.» Es sei deshalb nicht möglich gewesen,eine Verbindung zu den Vereinen herzustellen, betonte er.
Während auf dem internationalen Handball-Parkett immer wieder neueDetails ans Licht kommen, tagte am Mittwoch in Frankfurt/Main derAufsichtsrat der Handball-Bundesliga (HBL). Allerdings wollte dasGremium keine Ergebnisse bekanntgeben. Mit dabei war auch HBL-Präsident Reiner Witte, der vom HSV aufgefordert worden war, sein Amtruhen zu lassen. Und in Kiel begann eine neue Phase der Aufklärung.«Die Unterlagen sind gestern rausgegangen. Der THW und der Vertretereines Beschuldigten haben Akteneinsicht bekommen», sagte der KielerOberstaatsanwalt Uwe Wick am Mittwoch der dpa. Der THW hat bislangalle Vorwürfe bestritten.