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Große Realismus-Ausstellung in Emden

Von Karin Güthlein 20.01.2010, 08:46

Emden/dpa. - Zur Vielfalt und zum Begriffsdschungel des Realismus, vor 150 Jahren von dem französischen Maler Gustave Courbet als Absage an die zur Dekoration verkommene akademische Kunst proklamiert, bietet die Kunsthalle Emden eine beeindruckende Ausstellung. Unter dem Titel «Realismus - Das Abenteuer der Wirklichkeit» werden vom 23. Januar bis 24. Mai mehr als 200 Werke von 120 internationalen Künstlern aus Malerei, Fotografie, Skulptur, Videokunst und Grafik gezeigt. Leihgeber sind fast 50 öffentliche und private Sammlungen in Europa und den USA.

«So einen Knaller, der 500 000 Euro kostet, können wir uns nicht jedes Jahr leisten», betont Nils Ohlsen. Der 42-Jährige, der 1998 als Volontär nach Emden kam und 2006 die wissenschaftliche Leitung übernahm, startet in wenigen Wochen als Direktor der Nationalgalerie Oslo. Zu seinem Karrieresprung beigetragen hat auch die Edvard Munch gewidmete Ausstellung, die mit 125 000 Besuchern die bislang erfolgreichste der 1986 von Henri Nannen gestifteten Kunsthalle war. Bei «Realismus» werden 60 000 Interessierte erhofft - nach nur insgesamt knapp 55 000 Besuchern im Vorjahr.

Skandinavische Wurzeln, die sein Name vermuten lässt, hat der gebürtige Oldenburger Ohlsen nicht. Aber er spricht Schwedisch und kann damit Norwegisch verstehen, seitdem er zwei Jahre lang in Stockholm seine Doktorarbeit über skandinavische Malerei geschrieben hat.

Geschichten und Geschichte mit Kunst zu erzählen ist Ohlsens Markenzeichen. Auch der Realismus wird nicht chronologisch oder nach Kunstgattungen abgehakt, sondern in acht Kapiteln vorgestellt, in denen Vertreter aller Generationen und Techniken miteinander korrespondieren und zu Vergleichen anregen. Da stehen die Großmeister - der Untertitel der Ausstellung nennt stellvertretend Courbet (1819- 1877), Edward Hopper (1892-1967) und Andreas Gursky (geboren 1955) - neben weniger bekannten Namen aus der jüngsten Avantgarde.

Für Ordnung und Überblick sorgt die Gruppenbildung nach Motiven wie Stillleben, Landschaften, Historie, Porträt und Akt. Dass in allen Epochen Wirklichkeit und Wahrheit zweierlei sind, wird dabei ebenso deutlich wie die zunehmende Gefahr von digitalen Manipulationen beim Siegeszug von Fotografie und Video. Mit optischen Täuschungen kannten sich bereits die Maler aus, die sich Courbets Kampfansage an die idealisierenden «Verfälschungen» der Romantik anschlossen.

«Realismus» ist Auftakt und Höhepunkt eines Themenjahrs unter dem Motto «Abenteuer Wirklichkeit» mit fast 70 Angeboten für Kulturtouristen. An dem mit EU- und Landesmitteln geförderten Projekt sind 30 Orte in Ostfriesland und Umgebung beteiligt. In der Kunsthalle der Münchener Hypo-Kulturstiftung, die sich an der Realisierung der Emdener Schau beteiligt hat, wird «Realismus» vom 11. Juni bis 5. September zu sehen sein. Für bereits angefragte Gastspiele im Ausland fehlen nach Angaben der Kunsthalle noch die Genehmigungen der Leihgeber.

dpaq.de/realismus