Große Annie-Leibovitz-Schau in Berlin
Berlin/dpa. - Gerade hat sie Michelle Obama für die «Vogue» fotografiert. Die Queen nahm vor ihrer Kamera sogar das Krönchen ab. Annie Leibovitz hat so viele berühmte Menschen porträtiert, dass sie den Titel «Starfotografin» trägt.
Als sie in der Berliner C/0-Galerie ihr oft kopiertes Bild der hochschwangeren Demi Moore erklärt, ist der Medienrummel groß. Leibovitz - Brille, schwarze Hose, schwarzes Hemd - nimmt es mit amerikanischer Gelassenheit. Die Werkschau «A Photographer's Life» ist eine Bestandsaufnahme ihrer Arbeit von 1990 bis 2005. Nach London ist Berlin die einzige Station in Deutschland.
Es ist eine sehr persönliche Ausstellung, die in 200 Bildern nicht nur die Hochglanzwelt von «Vogue» und «Vanity Fair» zeigt. Deutlich wird das schon am Eingang. Auf der einen Seite hängt Model Cindy Crawford, daneben spielt Leibovitz' kleine Tochter Sarah Cameron im Garten. Liebevoll ist ihr Blick auf die Familie, etwa auf den Vater und den Bruder, die für sie kumpelhaft posieren. Was weniger bekannt ist als ihre Fotos: Leibovitz, die mit 52 Jahren erstmals Mutter wurde, war mit der Autorin Susan Sontag liiert.
Als ihre Lebensgefährtin 2004 an Krebs starb, wollte Leibovitz ein Buch für die Trauerfeier zusammenstellen. Daraus entwickelte sich die Ausstellung. Schmerzhaft ist die Aufnahme von Susan Sontag auf dem Totenbett. «Ich war wie in Trance, als ich sie so daliegend fotografierte», erklärt Leibovitz dazu. Auch kleinformatige Bilder von der Geburt ihrer Kinder und des sterbenden Vaters sind zu sehen, ohne dass es voyeuristisch wirkt.
Ihre Freundin habe Berlin gemocht, es sei ihr «zweites Paris» gewesen, sagt Leibovitz. «Sie hätte sicher sehr gerne Berlin heute gesehen.» Nach Sontags Tod dachte sie zunächst, dass sie selbst keine guten Bilder von ihr hat, weil sie ihr so nah gewesen war. In einer Scheune im Bundesstaat New York baute die Fotografin dann zwei Wände mit Bildern auf: die Auftragsarbeiten und die privaten Aufnahmen, daraus entwickelte sich eine Art Geschichte.
Die Ausstellung arbeitet mit Kontrasten. Von George W. Bush schweift der Blick über ein Foto der Tochter hinüber zum Kino- Provokateur Michael Moore. Ein Bild zeigt Blutspuren nach einem Massaker in Ruanda 1994. Im gleichen Jahr fotografierte Leibovitz in Sarajevo das Fahrrad eines Jungen, der Opfer eines Heckenschützen wurde. Sie ist eine politische Künstlerin und froh, dass Barack Obama nun Präsident ist. «Es fühlt sich ganz, ganz anders an», sagt sie über das neue Leben in Amerika.
Die 59 Jahre alte Fotografin ist ein Kind der Hippie-Zeit. Sie studierte in San Francisco und begann ihre Karriere beim «Rolling Stone». Damals fotografierte sie den Beat-Poeten Allen Ginsberg mit einem Joint beim Friedensmarsch. Mit 23 Jahren wurde sie Cheffotografin des Magazins. Seit 1983 arbeitet Leibovitz für die «Vanity Fair». Ihr wohl berühmtestes Bild stammt aus dem Jahr 1980: John Lennon, der sich nackt in Babypose an Yoko Ono schmiegt, nur Stunden, bevor er erschossen wurde.
Leibovitz mag es nicht, wenn sie als «Prominenten-Jägerin» gehandelt wird, die auf der Suche nach immer neuen Stars ist. Sie spricht lieber von der Verantwortung, die ihre Arbeit mit sich bringt. Früher sei sie schüchtern gewesen, die Kamera habe ihr geholfen, in die Welt hinauszugehen. Fotografie als Medium bietet ihrer Meinung nach die Gelegenheit, in einer schnelllebigen Zeit länger hinzusehen. «Jeder Tag ist anders», sagt die Fotografin. In Berlin dokumentiert sie nicht nur die Welt der Berühmten und Mächtigen, sondern auch die Zerbrechlichkeit des Familienglücks.