Football Football: Super Bowl lockt viele deutsche Fans
Halle (Saale)/MZ. - Treffpunkt ist das "Napoleon". Am Sonntag gegen 22 Uhr wird sich Ralf Lange mit etlichen Gleichgesinnten in dieser Wernigeröder Szenekneipe versammeln und sich aufgeregt einen Platz mit perfektem Blick auf die große Leinwand ergattern. Um 0.10 Uhr beginnt die TV-Übertragung des 47. Super Bowl aus New Orleans. Langes Sympathie ist eindeutig verteilt. "Ich bin glühender Fan der San Francisco 49ers, war auch schon mehrmals dort", sagt er. Der Super Bowl ist das Finale der Nordamerikanischen Football-Profiliga NFL, in dem die Kalifornier gegen die Baltimore Ravens antreten.
Super Bowl, Lange und das "Napoleon" - diese drei Komponenten sind die Knetmasse, aus der vor nun 20 Jahren American Football in Sachsen-Anhalt geformt wurde. "Im Napoleon entstand damals mit ein paar ähnlich Begeisterten die Idee, diesen uramerikanischen Sport einmal selbst zu spielen", sagt Ralf Lange. Der ehemalige Ringer scharte ein paar Ex-Sportler zusammen, gewann den einstigen Sprinter Frank Emmelmann, 1982 immerhin 100-Meter-Europameister, als Coach für diesen bunten Haufen. Zum traditionsreichen Rathausfest in der Harzstadt gab es den ersten Auftritt der "Mountain Tigers". Das Premieren-Duell gegen die Tollense Sharks aus Neubrandenburg wollten 5 000 Zuschauer sehen. "So viele kamen später nie wieder zu einem Spiel", sagt Ralf Lange etwas wehmütig.
Er ist inzwischen Präsident des American-Football-Landesverbandes, der 2008 gegründet wurde. Und er kann sich der Realität nicht verschließen: "Wir haben einfach keinen regen Zuspruch." Etwa 350 Mitglieder - inklusive Cheerleader Girls - hat sein Verband. Neben den Tigers spielen die Halle Falken in der Oberliga. Die Virgin Guards aus Magdeburg kämpfen sogar in der Regionalliga um das Ei. Nur in diesen drei Vereinen wird wettkampfmäßig geworfen, gekickt und getackelt. Football in Sachsen-Anhalt ist Randsport pur. Niemand im Verband arbeitet hauptamtlich.
Immerhin spielen inzwischen sogar einige Kinder und Jugendliche Football. "Wir haben Schulprogramme nach US-Vorbild. Willkommen ist jedes Kind, ob groß und schlank oder klein und dick. Und niemand muss Angst vor Verletzungen haben. Bis 14 Jahre ist kein Vollkontakt erlaubt", sagt Ralf Lange. Da reißen sich Kinder lediglich ein paar bunte, mit Saugnapf befestigte Fähnchen von den Hüften, um einen Spielzug zu beenden.
Mühselige Nachwuchsarbeit
Bei den Magdeburger Virgin Guards etwa kümmern sie sich in drei Altersklassen um den Nachwuchs. "Da steckt viel ehrenamtliche Arbeit dahinter", sagt Enrico Müller, der Abteilungsleiter Football beim Stammverein MSV 90. Man gehe in die Schulen und werbe für den Verein, doch "gerade später in der Pubertät haben die Jugendlichen oft andere Interessen".
Zweifellos: Es ist ungemein mühselig, ja fast unmöglich, einen Nachwuchs-Spielbetrieb auf die Beine zu stellen. Doch auf eines ist Ralf Lange ungemein stolz. Mit Gunnar Winkler schaffte es ein Wernigeröder in die German Football League (GFL), die Bundesliga, zu den Braunschweig Lions und dann sogar ins Nationalteam.
Trotzdem: "Die neuen Bundesländer sind bis auf Dresden praktisch weiße Flecken auf der deutschen Football-Landkarte. Und explosionsartig wird sich nichts entwickeln", sagt Thomas Meyer, der Generalsekretär des deutschen Verbandes (AFVD). Der verzeichnet besseren Zulauf. Von 24 400 Mitgliedern 2006 stieg die Zahl im Vorjahr auf 45 657. "Wir sind der stärkste Verband in Europa."
Aber auch Müller weiß: "Deutschland wird keine Football-Nation." Experimente in der Vergangenheit scheiterten. Die 1991 von der NFL installierte World League oder der Nachfolger, die NFL Europe, mit Teams wie Frankfurt Galaxy lockte zwar bis zu 40 000 Fans zu den Spielen. Doch sie rechnete sich nicht. "Dann wurde der Stecker gezogen", so Müller. 2007 war das.
2 000 Fans in der Bundesliga
Zu Duellen der GFL, die in zwei Staffeln zu je acht Teams ihre reguläre Saison spielt, kommen heute etwa 2 000 Fans. Das Finale, den German Bowl, der 2011 in der Magdeburger Arena ausgetragen wurde, wollten in den letzten drei Jahren gut 11 000 Menschen sehen.
Meister der letzten zwei Jahre sind übrigens die Schwäbisch Hall Unicorns. Die Auftritte der Virgin Guards, Vierter der letzten Regionalliga-Saison, schauen sich regelmäßig etwa 300 Fans im Magdeburger Heinrich-Germer-Stadion an. "Am Saisonende und gegen rivalisierende Teams wie die Leipzig Lions steigert sich die Zuschauerzahl noch einmal", so Abteilungsleiter Enrico Müller. Und viele der Guards-Fans treffen sich am Sonntagabend im "Lion City Pub".
"Irgendwie ist das verwunderlich. Um Super Bowl zu schauen, da strömen Fans deutschlandweit in Scharen zusammen. Wenn aber in drei bis vier Monaten die Saison wieder losgeht, ist das Interesse an Football verflogen - bis zum nächsten Super Bowl", sagt AFVD-Geschäftsführer Thomas Meyer.
Er schaut sich das Spektakel zu Hause an. Des Jobs wegen.