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Europameisterschaften in Riesa Europameisterschaften in Riesa: Schwimmer leben im Dauerstress

Von Dietmar Fuchs 12.12.2002, 15:06

Riesa/dpa. - Thomas Rupprath ist ein Musterbeispiel: Für seinen Job tut der Wuppertaler vieles. Fliegt von New York über Goslar nach Melbourne ins Sächsische, um in Riesa Kurzbahn-Europameister im Schwimmen zu werden. Den «Nationalschwimmer» gibt es nicht mehr, die Professionalisierung macht auch vor den Athleten des nassen Elements nicht Halt. Selbst ein «Überflieger» wie Australiens Ian Thorpe denkt an einen Wechsel von Australien nach Europa, um noch besser und schneller zu sein.

Jeder normale Mensch würde es sich selbst für den Urlaub nicht antun, was der 25-jährige Rupprath gemacht hat: binnen drei Wochen alle Zeitzonen zu bereisen. Und dazu noch Top-Leistungen abzurufen. Es ist Alltag. Wer von den Weltklasse-Athleten die 50 000 Dollar Einzel-Siegprämie im Weltcup gewinnen will, muss schwimmen auf Teufel komm' raus: Anspruch hat nur, wer über einen Zeitraum von zehn Wochen in Amerika, Asien/Australien und Europa Starts absolviert hat.

Das ist Pflicht. Und das ist Stress. Denn nicht allen geht es so gut wie Martina Moravcova. Die Olympia-Zweite aus der Slowakei lebt und trainiert seit acht Jahren in Dallas/USA, von ihrem Verband hat sie kraft Leistung immer eine «Wildcard» fürs internationale Business. Ein Rupprath ist in Deutschland und beim Deutschen Schwimm- Verband (DSV) de facto einer von vielen. Also: Er muss sich qualifizieren. Über Zeiten und Plätze bei nationalen Ereignissen wie vor zwei Wochen: Der Weg nach Riesa führte für ihn nur über Goslar.

Rupprath ist Profi. Er lebt vom Schwimmen. Wie auch Martina Moravcova oder die Schwedin Emma Igelström und Sarah Poewe, die als gebürtige Südafrikanerin jetzt für den DSV startet. Emma Igelström versucht sich mit dem Training in Australien, Sarah Poewe hat sich für Deutschland entschieden, ohne hier zu sein: Sie gehört wohl der SG Bayer Wuppertal/Uerdingen/Dormagen an, ist aber nur selten zu Gast in ihrem «Heimatverein».

«Morgen geht's dann zur Sache.» Thomas Rupprath sprach aus, was für einen Durchschnittsmenschen unvorstellbar wäre: aus dem 30- Stunden-Flieger ins Wettkampfbecken, um dort abermals eine Top- Leistung abzurufen. Das widersprach noch vor kurzem jeglicher Schwimm-Lehre. Nur ein Mal pro Jahr, im Höchstfall zwei Mal, könne bei einem Schwimmer Weltklasse produziert werden.

«Da strahlt mein Herz», sagt Alessandro Sansa, Direktor des Europa-Verbandes LEN. Er meint damit die Ruppraths dieser Welt, die sich den Erfordernissen angepasst haben und neben sportlichen Höchstleistungen dauerhaft auch einen beachtlichen Unterhaltungswert herstellen. Rupprath hat begriffen, dass er mit Schwimmen Geld verdienen kann, wenngleich es ihm nicht nur um den Mammon geht.

«Wir haben für unseren guten Zustand im Schwimmen einiges getan. Und damit haben wir vielleicht sogar die Leichtathletik überholt», betreibt er Eigenwerbung. Schwimmen hat seiner Meinung nach die Chance, positive Show zu sein. Und so muss es dann einfach immer zur Sache gehen. Über New York, Goslar und Melbourne nach Riesa.