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Eisschnelllauf Eisschnelllauf: Olympiasieger Erhard Keller wird 65

Von Frank Thomas 23.12.2009, 18:56

MÜNCHEN/DPA. - «Da kommen morgens die Freunde zum Frühschoppenund nachmittags die Familie mit Kindern und dem drei Monate altenEnkel. Da muss man aufpassen, dass man am Morgen die Getränkereduziert, um den Abend noch zu erleben», scherzt der 500-Meter-Olympiasieger von 1968 und 1972, das einstige Idol des deutschenEisschnelllaufs.

Natürlich wird am doppelten Festtag auch das gewohnte sportlicheRitual durchbrochen. «Morgens eine Fahrrad-Tour, mittags auf denGolfplatz und am Abend ein Waldlauf mit Hündin Tina - so halte ichmich normalerweise fit. Aber die Läufe sind kaum mehr länger als fünfKilometer. Und meine Tina - die Schwester des Fernseh-HundesKommissar Rex - schwächelt inzwischen ein wenig, so dass wir öftermal ein Päuschen einlegen müssen», meint Erhard Keller verschmitzt.

Eine Woche vor seinem Ehrentag stand er noch auf dem Eis, um beieinem Sichtungs-Wettkampf von 300 Schülern auf der 400-Meter-Bahn inNeuperlach Werbung für die Winterspiele 2018 in seiner Heimatstadt zubetreiben. «Das ist herrlich mit anzusehen. Aber es erfüllt mich auchein wenig mit Sorge: Fast alle Siegernamen sind schwer auszusprechen,fast nur noch Kinder mit Migrations-Hintergrund engagieren sichsportlich so, dass es Hoffnung für die sportliche Zukunft gibt»,bedauert Keller. Kaum noch Kinder aus gutbürgerlichen Familienkönnten bei den Anforderungen durch Schule oder Berufsausbildungjenen Zeitaufwand betreiben, der für Spitzenleistungen nötig sei.

So sei der Hilferuf aus dem Sportgymnasium der Landeshauptstadtsymptomatisch: «Die Verantwortlichen kamen zu mir, weil sie dieKlassen nicht mehr füllen können. Das ist doch sehr bedauerlich.» Vorallem auch mit Hinblick auf Olympia 2018. «Seit ein paar Monaten istein Ruck durch die Stadt gegangen. Alle wissen: Wir können esschaffen.» Nach anfänglichen Problemen aufgrund der Finanzkrise istKeller nun zuversichtlich. «Jetzt läuft es. Die Stadt München isteuphorisch, vom Bürgermeister Christian Ude angefangen», sagte derOlympia-Botschafter, der das südkoreanische Pyeongchang als einzigenechten Konkurrenten um die Ausrichtung der Spiele ansieht. «In Annecybetreibt man die Bewerbung nicht ernsthaft. Dort konzentriert mansich auf Skisport - das reicht für Olympia nicht aus», meint dereinst schnellste Mann auf dem Eis.

Schon vor sieben Jahren hat er seinen Job als Zahnarzt aufgegeben.«Bisher war ich Privatier, jetzt darf man Rentner zu mir sagen», sagter. Keller genießt das Leben und schaut mit Genugtuung zurück aufseine Karriere, in der er zehn Weltrekorde aufstellte und 1971 auchSprint-Weltmeister war. «Trotz der Summen, die heute fließen: Ichwürde mit keinem der Stars tauschen wollen. Ich hatte damals nebendem Sport noch Zeit, mein Studium zu absolvieren. Bei den heutigenAnforderungen ist das utopisch: Die Wettkämpfe und Reisen haben sozugenommen, dass kaum noch Zeit bleibt, an die Zukunft zu denken. Undwie schnell sind Prämien und Werbe-Gelder aufgebraucht.»

Keller galt neben dem Niederländer Arnd Schenk als derEisschnellläufer, der seine zwei Olympiasiege bestmöglichvermarktete. «Immerhin konnte ich meine gesamte Praxiseinrichtungdamals ohne Kredit finanzieren. 350 000 Mark waren damals viel Geld.»Nach 1972 stieg er kurzzeitig in den US-Profizirkus ein und verlorden Amateurstatus. «Letztlich ein Fehler. Die Sprinter waren 1976 soschlecht, ich hätte die Chance zum dritten Olympia-Gold gehabt.»