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Die Kröte der SPD

Von KAI GAUSELMANN 12.04.2011, 19:42

MAGDEBURG/MZ. - Vergabegesetz, Rückkehr zum Ganztagesanspruch für alle Kindergartenkinder und Einführung der Gemeinschaftsschule - lange sah es so aus, als halte bei den Koalitionsverhandlungen in Sachsen-Anhalt die CDU das Monopol auf das Krötenschlucken. Ganz zum Schluss müssen aber auch die Sozialdemokraten einen unappetitlichen Happen verdauen: Die Verlagerung der Hochschulpolitik vom künftig SPD-geführten Kultusministerium ins CDU-geführte Wirtschaftsministerium.

Vor allem für den Parteinachwuchs ist das bitter, für die an den Hochschulen aktiven Jusos. Sie hatten im Parteirat - eine Art kleiner SPD-Parteitag - durchgesetzt, dass mit der Union nachverhandelt werden muss. Das hat SPD-Verhandlungsführer Jens Bullerjahn gestern getan, was man sich aber eher als eine Art lockeres Gespräch zwischen ihm und CDU-Verhandlungsführer Reiner Haseloff vorstellen muss. Der SPD-Parteirat hatte nämlich beschlossen, dass Bullerjahn den Verbleib der Zuständigkeit beim Kultusministerium ins Gespräch "einbringen" solle - und nicht fordern. Den Erfolg der Koalitionsverhandlungen wollten die Sozialdemokraten keineswegs damit verknüpfen.

Haseloff lehnte denn auch schlicht ab, es bleibt bei der Verlagerung. "Der Ressortzuschnitt ,Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft' bleibt so wie einvernehmlich im Koalitionsausschuss beschlossen", sagte er der MZ. "Ich habe Reiner Haseloff den Beschluss des Parteirates erklärt, er ist aber bei seiner Meinung geblieben", so Bullerjahn. "Das habe ich akzeptiert. Beide Seiten mussten in den Koalitionsverhandlungen Zugeständnisse machen. Die SPD hat sich nicht unter Wert verkauft."

Allerdings, und das war auch Teil des Parteirat-Beschlusses, wird den Hochschulen die Unabhängigkeit und ein "stabiler Finanzrahmen" über 2013 hinaus zugesichert - wenn die Zielvereinbarungen mit festgeschriebenen Budgets der Unis auslaufen. Bullerjahn konkretisierte die Zusicherung. "Wenn die Hochschulen in der jetzigen Zahl Studenten binden können, werden die Finanzmittel auch nicht abgesenkt", sagte er der MZ.

Das ist ein Entgegenkommen, wodurch die Jusos ihr Gesicht wahren können. Zumindest halbwegs. Juso-Landeschef Andrej Stephan, als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Halle auch Betroffener, reagierte auf die gestrige letzte Verhandlung verhalten. "Das ist für uns der kleinste gemeinsame Nenner", sagte er. Er bemängelt, dass die Verlagerung nicht plausibel inhaltlich begründet wird. "Kompromisse sind nötig, aber sie müssen begründet werden und können nicht mit einem schlichten ,Das ist jetzt mal so' verkauft werden", kritisierte Stephan indirekt Verhandlungsführer Bullerjahn. Wie die Juso-Delegierten sich nun am Samstag verhalten, wenn der SPD-Parteitag den Koalitionsvertrag beschließen soll, ließ Stephan offen. Zuvor hatten die Jusos noch mit Ablehnung gedroht.

Auch die Opposition kritisierte die Verlagerung. Anstatt entlang fachlicher Anforderungen würden Zuständigkeiten "nach dem Koalitionsproporz aufgeteilt", sagte Grünen-Landtagsfraktionschefin Claudia Dalbert. Durch die organisatorische Trennung von Schulen und Hochschulen entstehe ein "bildungspolitischer Irrgarten". Linken-Fraktionschef Wulf Gallert warf der SPD vor, "wie in so vielen anderen Fragen dem neoliberalen Mainstream Tribut zu zollen".