Die Galerie als Abenteuerland
Halle/iposa. - Bevor er die Galerie 1982 übernahm, arbeitete Ulrich Zeiner selbstständig als Künstler und unterhielt damit seine vierköpfige Familie. “Als Handwerker muss man mit dem Material arbeiten, als Künstler zerstört man es zunächst. Ich war wohl eher ein Handwerker, denn ich habe gerne mit Dingen gearbeitet, die schon vorhanden waren.” Seine Erziehung beschreibt er als bürgerlich. Gustav Freytag und Ludwig Ganghofer lagen am Anfang, “die Russen kamen erst zum Schluss.” Mit der Liebe zur klassischen Musik ist er groß geworden. Für die Philharmonie hat er Holzklangkörper gebaut. Er spielte Geige, Trompete, Flügelhorn. “Mit Klavier habe ich leider zu spät angefangen.” Zeiner war es auch, der 1983 die Tradition der Turmbläserei auf den Hausmannstürmen wieder ins Leben rief. Die Beatles lernte er erst im Studium kennen, aber die “waren der perfekte Übergang von Klassik zu Pop”.
Zu DDR-Zeiten die Galerie Marktschlösschen zu übernehmen, hat er als Schritt in einen großen Freiraum empfunden. Praktisch ohne direkten Vorgesetzten kuratierte und gestaltete er Ausstellungen entlang des Grates von politischer Machbarkeit und kulturellem Anspruch. Auf die Frage, welche seiner Ausstellungen für ihn herausragt, antwortet Ulrich Zeiner deshalb ohne große Überlegung: “Die Schau von Helga Paris”. Die Fotografin hatte in Menschendarstellungen und Stadtansichten ein eindrückliches, aber eben nicht nur sozialistisch-schönes Porträt der Stadt Halle zusammengestellt. Die Ausstellung war im Voraus 1986 verboten worden, sie wurde 1987 nochmals aufgebaut und doch wieder geschlossen. Die Künstlerin bekam damals ein paar Kataloge als Entschädigung, Zeiner trat aus Protest zeitweise aus dem Verband bildender Künstler aus. Erst 1990 konnte die Schau dann präsentiert werden.
Das DDR-System aus dem Inneren heraus zu verbessern, bezeichnet Zeiner als sein ureigenes Anliegen. Deshalb hat er sich mit Aktionen an den Umwälzungen 1989 beteiligt. Politisches Engagement und kritische Mitsprache benennt er aber auch als seine Motivationen, Gesprächen mit der Staatssicherheit nicht aus dem Weg zu gehen. Das war eine Entscheidung, deren Differenzierung Anfang der 90er Jahre kaum interessiert hat. Es folgten der öffentliche Pranger, die fristlose Entlassung, jahrelange Arbeitslosigkeit und ABM. Die Galerie hat er in diesen Jahren weiter betrieben. Mit den gleichen Nachtschichten, ohne Arbeitsvertrag und lange auch ohne Entlohnung.
Inzwischen sind es über 230 Ausstellungen, von denen jede einzelne spezifisch konzipiert, vorbereitet und mit einem kleinen kulturellen Höhepunkt eröffnet wurde. Das Wort Überstunden kennt Zeiner eigentlich nicht, denn es gehört für ihn dazu, so lange zu arbeiten, bis eine Ausstellung den eigenen Vorstellungen entspricht. Auf die Frage, ob es für den 59-Jährigen dennoch andere Abenteuer gibt als die Galerie, erinnert er sich daran, dass ihm seine Tochter den frischgeborenen Enkel mal für zwei Stunden zur Aufsicht überlassen hat. “Ich habe den Säugling hier auf meinem Arm herumgetragen. Das war irgendwie abenteuerlich.” Ein Lächeln versteckt sich im Bart.