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Darwins Alptraum

21.04.2008, 22:14

Hamburg/dpa. - Der Viktoriabarsch ist ein nicht nur in Deutschland beliebter Speisefisch. Doch seine Erfolgsgeschichte ist für den österreichischen Filmemacher Hubert Sauper ein bedrückendes Kapitel der biologischen und weltwirtschaftlichen Entwicklung.

In seinem aufwühlenden und kontrovers diskutierten Film «Darwins Alptraum» erzählt Sauper die Vorgeschichte und die Auswirkungen auf die afrikanische Bevölkerung in Tansania am Viktoriasee. Die unter anderem mit dem Europäischen Filmpreis und dem französischen César ausgezeichnete sowie 2006 für den Oscar nominierte Dokumentation zeigt der Kultursender Arte an diesem Dienstag um 21.00 Uhr.

In den 60er Jahren wurden im Viktoriasee - als wissenschaftliches Experiment - einige Nilbarsche ausgesetzt. Diese Raubfische setzten sich in wenigen Jahren gegen sämtliche Konkurrenten im Überlebenskampf durch. Nach etwa drei Jahrzehnten war fast der gesamte Bestand der bis dahin etwa 400 Fischarten im Viktoriasee ausgerottet.

Da der Viktoriabarsch ein schmackhafter Fisch ist, den es nun im Überfluss gibt, hat sich am Viktoriasee eine florierende Fischindustrie entwickelt. Die Fische werden nach dem Fang filetiert, schockgefroren und per Flugzeug exportiert, etwa über Frankfurt auf den deutschen Markt. Jeden Abend landen riesige Frachtflugzeuge, die am nächsten Morgen wieder in die Industrieländer des Nordens starten, beladen mit vielen Tonnen frischer Fischfilets.

Was die Flugzeuge an Bord haben, wenn sie am Viktoriasee landen, deutet der Film nur an: Neben anderen Gebrauchsgegenständen aus den Industriestaaten könnten oft genug Waffen und Kriegsmaterial darunter sein. Sauper interessiert sich vor allem für die Menschen, die in diesem Umfeld eines globalen Handels mit Lebensmitteln und ganz anderen Gütern leben. Mit der Kamera und dem Mikrofon ist er ganz nah an ihnen dran: einheimische Fischer, Agenten der Weltbank, heimatlose Straßenkinder, afrikanische Minister, EU-Kommissare, tansanische Prostituierte, russische Piloten. Kritiker warfen ihm vor, einige der Szenen gestellt zu haben und die Zusammenhänge zu verzerren, etwa zwischen dem Aufstieg der Fischindustrie und der Ausbreitung von Prostitution.

Sauper hat nach eigenen Worten versucht, «die seltsame "success story" eines Fisches und den kurzfristigen Boom um dieses erfolgreiche Tier in eine ironische und beängstigende Allegorie zu verwandeln, welche die Neue Weltordnung reflektiert». Für ihn ist es «unglaublich, aber wahr, dass, wo immer in einer relativ armen Gegend ein wertvoller Rohstoff entdeckt wird, die Menschen im Umfeld des neuen Reichtums elendig zugrunde gehen. Ihre Söhne werden zu Wächtern und Soldaten, ihre Töchter zu Dienerinnen und Huren.» Sauper: «"Darwins Alptraum" könnte ich in Sierra Leone erzählen, nur wäre der Fisch ein Diamant, in Honduras eine Banane und in Angola, Nigeria oder Irak schwarzes Öl.»