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Dänemark Dänemark: Magischer Ort im Norden

Von ELKE STURMHOEBEL 03.12.2009, 17:08

Halle/MZ. - Grenen, wie die nördlichste Spitze Dänemarks kurz hinter Skagen heißt, ist ein magischer Ort. Alle naselang küsst sich ein dick eingemummtes Pärchen an der äußersten Wasserkante zwischen Skagerrak und Kattegatt. In Grenen ist das Kult.

"Oh, wie ist das hyggelig!" Und gemütlich ist das Ferienhaus, in das wir nach dem langen Spaziergang auf der Landzunge zurückkehren, allemal. Es ist noch Glut im Ofen, und eine behagliche Wärme durchflutet das Wohnzimmer. Am Strand haben wir Treibholz gesammelt. Denn fertiggebündeltes Ofenholz vom Baumarkt kommt nun wirklich nicht in Frage. Die manchmal noch feuchten Scheite anzuzünden und am brennen zu halten, ist indes eine Kunst.

Für Skagen - die Dänen sagen "Skääähn" - entscheiden sich zwei Millionen Urlauber im Jahr. Die wenigsten kommen im Winter, wenn es am beschaulichsten ist. Die ockergelb gestrichenen Häuser strahlen Wärme aus. Es hat über Nacht geschneit und ein weißer Hauch hat sich auf die roten Dächer gelegt. Entlang des Firstes und der Giebelkanten sind die Ziegel weiß eingeputzt. "Skagener Spitze" nennt sich dieses auffällige Muster, das einst die bösen Geister abschrecken sollte.

Im Winter gibt es weder Schlangen vor Pølserbuden, kein Getümmel in der Fußgängerzone noch Rummel vor den schmucken Lagerhäusern am alten Hafen. Anstatt weißer Segeljachten liegen nur ein paar alte Fischkutter im Hafenbecken. Die Dünen sind so einsam und die Strände so leer wie auf Peder S. Krøyers berühmtem Gemälde "Damen am Strand". Es hängt in Skagens Museum, das 200 000 Besucher im Jahr zählt. Im Winter aber herrscht kein Gedränge vor den Bildern der Skagen-Maler. Die Künstler entdeckten bereits Ende des 19. Jahrhunderts die besonderen Lichtverhältnisse im Norden Jütlands. Die Luft ist unglaublich klar und die Kälte zeichnet scharfe Konturen. Oft malt die lange Abenddämmerung phantastische Farben - hellblau und türkis mit gelben Wolkenschlieren. Je später, desto gelber wird der Himmel und die Häuser auf den Dünen von Gamle Skagen heben sich ab wie Scherenschnitte.

Der Fremdenverkehr begann, als 1890 die Eisenbahnlinie fertiggestellt war. Bis dahin machten sich nur die Maler auf den Weg nach Skagen. Vierzig Kilometer durch den Sand mussten die Pferdekutschen von Fredrikshavn zurücklegen. Manchmal blieb das Gefährt stecken.

Madsen kam 1871 als einer der ersten Maler nach Skagen. Gekleidet im Gehrock, Hut und goldenem Kneifer auf der Nase muss seine Erscheinung einiges Aufsehen erregt haben. Zwei Sommer später brachte er Michael Ancher mit. Bilder wie seine von den einheimischen Fischern hatte die dänische Kunstwelt zuvor noch nicht gesehen. Viggo Johansen hingegen malte als erstes die im Sandtreiben versunkene Kirche, als er 1875 in Skagen eintraf. Von ihrem Turm ragt heute noch ein Stück aus den Dünen.

Alle bezogen Quartier in Brøndums Hotel, das damals noch ein schlichter Gasthof war. "Ich mag diese Herren Maler zu gern, die einfach so hier wohnen, denn von ihnen kann man wirklich lernen, die Dinge zu verstehen", vertraut die 17-jährige Anna Brøndum ihrem Tagebuch an. Vier Jahre später, im Jahre 1880, heiratet sie Michael Ancher. In der Kunstszene galten das Skagenmädchen und der Bornholmer als das Traumpaar. Anna Ancher sollte die berühmteste Malerin im kleinen Königreich werden. Durch das rote Häuschen der Anchers, in dem Anna bis zu ihrem Tod am 15. April 1935 lebte, können Besucher nun in weißen Baumwollschonern schlurfen, in die gute Stube schauen und in die Ateliers der beiden Künstler.

Trotz der vielen Touristen, die nach Skagen kommen, wird die Hälfte des Einkommens mit Fisch verdient. Jährlich werden hier 200 000 Tonnen Industriefisch angelandet, zu Fischmehl und Fischöl verarbeitet und in alle Welt exportiert. Krustentiere und edle Speisefische kommen morgens ab sieben Uhr unter den Hammer. Als wir die Auktionshalle betreten, ist die Versteigerung schon voll im Gange. Gespannt schauen wir zu: Dem Auktionator in weißen Gummistiefeln, der in rasender Geschwindigkeit den Preis ausruft. Den Händlern, die kaum sichtbar nicken, wenn ihnen das Angebot behagt. Dem Auktionsmeister, der per Stockschlag den Zuschlag erteilt.

Inzwischen ist es hell geworden. Nun schnell noch zum Bäcker, frische Brötchen holen und zurück ins warme Ferienhaus. Beim Frühstück schmieden wir Pläne für den Tag. Vielleicht besuchen wir noch mal die Råbjerg Mile, solange sie noch da ist.

Die riesige Wanderdüne südlich von Skagen bewegt sich pro Jahr fünfzehn Meter Richtung Ostsee. Um das Jahr 2200 wird sie vermutlich die Hauptstraße erreicht haben und den Skagen-Urlaubern den Weg versperren. Zeit, noch mal hinzufahren.