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Bretagne Bretagne: Schönes französisches Ende der Welt

Von Walter Schmidt 20.07.2006, 20:09

Halle/MZ. - Die Römer nannten die Bretagne "Ende der Welt" (finis terrae), woran noch heute der Name der Region Finistère im Westen erinnert. Noch immer hat die gut 27 000 Quadratkilometer große Halbinsel viel Urwüchsiges zu bieten - vor allem die beständig vom Meer angenagten Küsten von rund 2800 Kilometern Gesamtlänge. Nur 2,8 Millionen Menschen leben in der Bretagne - ohne die Touristen. Doch Massentourismus gibt es nur an wenigen Stellen, auch eine Folge davon, dass die Bretagne nach der Côte d'Azur zwar die mildesten Winter, aber auch die kühlsten Sommer Frankreichs aufweist, mit Wassertemperaturen um 20 Grad. Selbst im Hochsommer findet man fast menschenleere Strände.

Ein Höhepunkt jeder Bretagne-Reise ist St. Malo, die "Stadt der Korsaren" (Seeräuber) an der Smaragdküste (Cote d'Emeraude). Die 50 000 Einwohner werden im Sommer von viermal so vielen Touristen be- und heimgesucht. Als "granitene Zitadelle" oder "Steinkrone auf den Wellen" haben Dichter St. Malo bezeichnet, und tatsächlich dürfte die graue, bei Herbstwetter düster wirkende Stadtmauer mit ihren mächtigen Bastionen und Türmen rund um die Altstadt ("Ville Close") so manchen Angreifer eingeschüchtert haben.

Etwa 50 Auto-Kilometer weiter westlich liegt Cap Fréhel, ein 72 Meter hoher Steilküsten-Vorsprung, auf dem Heidekraut und Ginster sprießen. Wer gerne nistende Seevögel beobachtet, kommt hier auf seine Kosten - vor allem während eines empfehlenswerten, drei Kilometer langen Spaziergangs die Klippen entlang zum Fort la Latte. Auf den Zinnen der mustergültigen Ritterburg aus dem 13. und 14. Jahrhundert sind schon Kirk Douglas und Tony Curtis umhergekrochen, als sie 1958 für den Film "Die Wikinger" hier drehten. Heute in Privatbesitz, kann die Bilderbuch-Burg besichtigt werden, der Rundblick vom Bergfried lohnt den Aufstieg.

Autofrei ist die Ile de Bréhat, die Blumeninsel in der Nähe von Paimpol. Ihren Beinamen verdankt sie der Nähe des wärmenden Golfstroms, der auf dem 3,5 mal 1,5 Kilometer messenden Eiland aus rosafarbenem Granit subtropische Pflanzen, zum Beispiel Mimosen und Feigen, gedeihen lässt. Hübsche Landhäuser, die mit ihren Giebel-Kaminen ein wenig an irische Cottages erinnern, ruhen eingebettet in üppige Gärten. Sehenswert sind eine zum Künstler-Atelier umfunktionierte Festung, die erhöht liegende Kapelle St. Michel und die urige Gezeiten-Mühle Crec'h Tarek. Deren Staumauer schließt eine kleine Bucht ab.

Beileibe nicht nur Geologen und Fotografen sollten die von Wind und Wetter rundgeschmirgelten und zerbröckelnden Granitkolosse von Ploumanac'h nahe Perros-Guirec ansteuern. Ein Küsten-Spaziergang auf dem historischen Zöllnerpfad, gedacht zum Erspähen von Schmugglern und Piraten, führt vorbei an bizarren Felsen, die aussehen, als hätten Riesen Backe-Backe-Kuchen mit grauer Knete gespielt. Einige der Häuser von Ploumanac'h wurden zwischen und auf die Granitfelsen gebaut.

Eine gute Adresse für Ruhesuchende, ist die Halbinsel Crozon im Westen der Bretagne. Sie ist Teil des Regionalen Naturparks Armorika und von rauer Schönheit. Dazu tragen schroffe Felsklippen, fjord-artige Buchten und kleine Sandstrände bei, in denen Nacktbadende sich ungestört fühlen und Wellenreiter auf lohnende Wogen warten - etwa am Pointe de Lost Marc'h. Keine Bucht indes ist klein genug, als dass die Erbauer von Hitlers Atlantikwall dort keine Kampfbunker gebaut hätten. Bei Camaret erwartet ein Museum über den Atlantikkrieg Besucher - umgeben von den Ruinen riesiger Geschützbatterien der Wehrmacht.

Der hübsche Fischerort Camaret selber lockt mit dem Festungsturm Tour de Vauban und den Gerippen zerfallender Fischerboote. Auch Crozon und Morgat (Bootstouren zu natürlichen Felsgrotten) verdienen einen Besuch, ebenso wie der Pointe de Pen-Hir ("Langer Kopf") mit seinen drei gewaltigen Felsklippen.

Wer nach Quimper im Süden der Region Finistère strebt, sollte sich die Kapelle Sainte Marie du Ménez Hom an der Straße D 887 nicht entgehen lassen. Denn die reich mit Schnitzwerk, Skulpturen und Altären verzierte Kirche liefert ein schönes Beispiel für die eingefriedeten Pfarrhöfe ("enclos paroissal"), die typisch sind für die Bretagne. Rund 14 Kilometer weiter südlich lohnt überdies ein Stopp in Locronan. Dem polnischen Regisseur Roman Polanski haben die blumengeschmückten Granithäuser des angeblich "schönsten Dorfes in Frankreich" so gut gefallen, dass er hier mit Nastassja Kinski den Film "Tess" (1979) gedreht hat. Kein Neubau und kein Stromkabel stört den Anblick der bis aufs Dach komplett aus Granit errichteten Wohnbauten - ein Dorado für historische Filme.

Nicht alle Wege in der Bretagne führen nach Quimper, der Hauptstadt des Départements Finistère mit 60 000 Einwohnern, doch sie sollten es. Nicht selten ist in der Altstadt rund um die Kathedrale St. Corentin bretonische Harfen- und Dudelsack-Musik zu hören, wie sie der bekannteste Barde der Region, Alan Stivell, international bekannt gemacht hat. Der Chor der Kathedrale (13. Jahrhundert) ist normannisch geprägt. Ein Gang durch die Fachwerk- und Steinhäuser der Altstadt könnte zum Flüsschen Odet führen, das etliche Brücken zu längst verschwundenen Privatgärten überspannen.