Brasilien Brasilien: Striptease und Steine
Rio de Janeiro/dpa. - Zuvor war die «Selecao» inBrasilia und Rio von Millionen friedlich bejubelt worden. Eine Frauzog sich vor dem Regierungspalast zu Ehren der Champions sogar aus.
In Rio ging nach Polizeischätzung rund eine Million Menschen aufdie Straßen, um die Fahrt ihrer Idole auf Musik-Lkws, auf denen auchmehrere national bekannte Sänger auftraten, im Stadtzentrum undentlang der Strandviertel zu verfolgen. Zu Samba-Rhythmen wurde einwahrer «Winter-Karneval» veranstaltet. Wegen des großen Auflaufsverzögerte sich die Fahrt jedoch erheblich. In drei Stunden konntenstatt der vorgesehenen 27 nur 5 Kilometer zurückgelegt werden. Kurzvor der Copacabana wurde die Fahrt dann frühmorgens abgebrochen.
Trotz einer Entschuldigung von Teamkapitän Cafu und Trainer LuizScolari bewarfen Fans den Mannschaftsbus mit Steinen - mindestensdrei Scheiben gingen dabei zu Bruch. Es kam auch zu einigen Unruhenund Überfällen. «Wir haben die Lage aber inzwischen unter Kontrolle»,versicherte ein Polizeisprecher. Die Delegation flog unterdessen nachSao Paulo weiter, wo geplante Feiern im «Karnevalsstadion» wegen derAusschreitungen jedoch vor der Absage standen. «Was in Rio geschah,ist unglaublich», klagte Sao Paulos Bürgermeisterin Martha Suplicy.
Ohne Probleme war der erste Empfang in Brasilia über die Bühnegegangen. Dort waren Ronaldo, Rivaldo und Co. von der laut Polizei«größten Menschenansammlung in der Geschichte der Hauptstadt»enthusiastisch gefeiert worden. Flugzeuge der Luftwaffe, die dieTeam-Maschine der Flug-Gesellschaft Varig eskortiert hatten,schrieben in den blauen Himmel den Willkommensgruß «E Penta» («Es istder Fünfte») - gemeint war der fünfte WM-Titel des Rekordchampions.Cafu stieg als erster mit dem WM-Pokal in den Händen aus. ImRegierungspalast Planalto ehrte Präsident Fernando Cardoso dieWeltmeister mit Medaillen des Verdienstordens für die Republik.
«So etwas erlebt man im Leben nur einmal», sagte Rivaldo. Sturm-Kollege Ronaldo, der beide Tore zum 2:0-Finalsieg über Deutschlanderzielte, meinte sichtlich bewegt: «Das war unglaublich, so einenEmpfang hätte ich in Brasilia niemals erwartet. Jetzt erst wissenwir, was der WM-Titel bedeutet». «Wir feiern seit 45 Stunden»,rechnete derweil Tormann Marcos bereits in Brasilia vor. Er konntesich beim Präsidenten-Empfang vor Müdigkeit kaum noch auf den Beinenhalten, dabei standen ihm noch die Partys in Rio und Sao Paulo bevor.
Der Leverkusener Bundesliga-Profi Lucio, der in seine HeimatstadtPlanaltina fuhr, sowie Teamkollegen wie Ronaldinho und Edilson flogendagegen nicht mehr nach Rio. Anders hielten es rund 60 Politiker: Siebegleiteten mit Blick auf die Präsidenten- und Parlamentswahlen imOktober die Siegesfahrten bis zum Ende - um Wahlkampf zu betreiben.