1. MZ.de
  2. >
  3. Varia
  4. >
  5. Boxen: Boxen: Im Bio-Hotel schlägt Klitschko den Gong

Boxen Boxen: Im Bio-Hotel schlägt Klitschko den Gong

Von JÜRGEN AHÄUSER 25.08.2010, 19:00

GOING/MZ. - Der gerade 21 Jahre alt gewordene Boxer ist ein wenig übergewichtig. Rund 125 Kilo wiegt der Mann aus dem Staat New York bei einer Körpergröße von 1,83 Meter. Das bisschen zu viel an Pfunden gleicht Brian durch eine gehörige Portion an Mut aus. Der US-Amerikaner ist im österreichischen Trainingslager des dreifachen Schwergewichtsweltmeisters, dem "Stangel-Wirt" in Going, einer von fünf Sparringspartnern, die alle eine Aufgabe zu erfüllen haben: Sie sollen sich bewegen wie Samuel Peter, sie sollen schlagen wie der "nigerianische Alptraum" und sie müssen einstecken wie Peter wahrscheinlich demnächst auch. Der Nigerianer ist am 11. September in Frankfurt (Main) Gegner des Weltmeisters der Verbände IBF, WBO und IBO.

Trevor Brian hat die krachende, rechte Gerade des jüngeren der Klitschko-Brüder auch Dank des dicken Kopfschutzes prima weggesteckt, er dampft und schwitzt, als käme er direkt aus der 100-Grad-Sauna. Vier Runden lang hat er versucht, den Champion zu beschäftigen und dabei ganz schön was auf die Nuss bekommen. Doch Trevor Brian strahlt "wegen der großen Ehre" und er wiederholt es in dem kurzen Gespräch oft: "Ich bin ein glücklicher Mensch." Mindestens so glücklich, wie die Menschen, die sich in der Tiroler Wohlfühloase einen Fünf-Sterne-Urlaub und Promi-Gucken mit ein bisschen Nervenkitzel gönnen.

Auf der Haut von Wladimir Klitschko glänzen ein paar Schweißperlen. Fast anstrengender als die vier Runden Sparring ist das, was Matthias Braunger bei Beginn und Ende der Übungseinheit mit Klitschko veranstaltet. Die Dehnübungen, bei denen es sich der Physiotherapeut auch schon mal auf dem extrem modellierten

Körper des Ukrainers bequem macht, erinnern stark an die mittelalterlichen Bilder von der Streckbank. Empfindsame Beobachter zieht es in der Schulter, am Knie und in der Fußsohle. Wladimir Klitschko verzieht keine Miene. Der 34-Jährige absolviert das knapp zweistündige Training in der Tennishalle total fokussiert.

Klitschko ignoriert die etwa einhundert Zuschauer, einige davon sind direkt von der Schwimmbadliege im Bademantel an den Ring geeilt. Klitschko schaut durch Fotografen und Presseleute hindurch, horcht in sich hinein und er spitzt die Ohren. Emanuel Steward, der Chefrainer, betet ohne Pause Ratschläge herunter. In dem spartanischen Gym ist nur noch einer ähnlich konzentriert. Witali, der ältere Bruder, beobachtet das Training seines kleinen Bruders. "Nein, wir sparren auch nicht zusammen", erklärt der WBC-Weltmeister. Wegen des Familienfriedens.

Seit ungefähr zehn Jahren trainieren die Klitschkos hier vor dem zackigen Panorama des Wilden Kaisers im Tiroler Unterland. Sie kommen im Gegensatz zu den großen US-amerikanischen Box-Kaisern mit ganz kleiner Entourage aus. Fünf Leiharbeiter, die allesamt das Double für den nächsten Gegner spielen, Cheftrainer Steward, Assistenztrainer Bashir, der Physio und zwei drei Handlanger für dies und das. "Es ist einfach schön hier", sagt Klitschko-Manager Bernd Bönte. Es ist eine kleine, heile Welt, die Wladimir und Witali Klitschko hier vorfinden.

Fokussierung wird auch von den Sparringspartnern verlangt. Wer nicht pünktlich zum "morning drill" um 7 Uhr erscheint, bekommt 150 Dollar vom gewiss nicht üppigen Wochenlohn abgezogen. Streng verboten ist, sich jenseits von freier Kost und Logis noch etwas auf die Zimmerrechnung buchen zu lassen. Klitschko steht um 7.30 Uhr auf, geht ins Gym, schwimmt gern im Bergsee, macht eine kurzes Mittagschläfchen, um täglich außer sonntags und mittwochs beim Sparring den beidhändigen "Gong" herauszulassen. Die Botschaft der Mühsal tragen die Peter-Imitatoren auf ihren T-Shirts: "Misserfolg ist keine Option".