Baltikum Baltikum: Faszination Litauen

Vilnius/dpa. - Gemächlich verziehen sich die Falten seines Gesichtes - ein zahnlosesLächeln heißt den Reisenden in Litauen willkommen.
Das südlichste der drei baltischen Länder hat viele Gesichter:alte Frauen in Kittelschürzen zum Beispiel, die mit schwieligenHänden Kartoffeln aus dem Boden wühlen - und in der nächsten Stadtauffällig geschminkte Mädchen, die modisch gekleidet ins nächste Caféstöckeln. Ebenso vielfältig wie sein Antlitz sind die Möglichkeiten,die das knapp 3,4 Millionen Einwohner zählende Land seinen Besuchernbietet. Reisende, die sich für Kirchengeschichte interessieren,werden von Litauen ebenso fasziniert sein wie Urlauber, die weiteStrände und Einsamkeit suchen.
Beliebt ist bei Reisenden vor allem die Kurische Nehrung, diesäbelförmige Sandnadel im Westen Litauens, die 100 Kilometer lang undan ihrer schmalsten Stelle nur 400 Meter breit in die Ostsee ragt.Auf die Landzunge gelangt man mit der Fähre vom Städtchen Klaipedaaus. Eine gepflegte Uferpromenade, englischer Rasen, Souvenirständeund Cafés zeigen - das Dörfchen Juodkrante lockt viele Urlauber an. Sehenswert ist der dortige Hexenberg, der bei den Mittsommerfeiern imJuni zum mystischen Festplatz wird. Entlang eines Waldweges sind hier80 geschnitzte Holzskulpturen aufgestellt.
Auf dem einige Kilometer weiter südlich gelegenen Friedhof vonNida erinnern hölzerne Symbole an jene Fischer, die dem Meer zumOpfer fielen. Die Schnitzereien befinden sich am Fußende der Gräber -damit der Verstorbene sie sich ansehen kann. Im Ort selbst geht esdeutlich weniger beschaulich zu. Gartencafés, kleine Bernsteinläden,blumengeschmückte Holzhäuschen und ein schmucker Yachthafen bildenein turbulentes Urlaubsparadies. Die in Deutschland bekanntesteSehenswürdigkeit Nidas ist das Thomas-Mann-Haus.
Mit einem Boot kann man von Nida aus zur Memelmündung übersetzen.Das weite Delta des Stromes wird von Moorwiesen und kleinenFischerdörfchen geprägt - viele davon sind während der alljährlichenFrühjahrsfluten von sämtlichen Landwegen abgeschnitten. Auf denWiesen eilen zwischen frei laufenden Kühen hunderte Kiebitze umher. Das Delta ist ein schönes Gebiet für Radtouren.
Für Autoreisende dagegen führt der Weg zunächst zurück zumAusgangspunkt Klaipeda. An Kasernen vorbei, die zunächst diedeutschen, dann die russischen Besatzer beherbergten und heute Sitzder jüngsten Universität des Landes sind, geht es in Richtung Nordenzu Litauens größtem Kur- und Urlaubsort Palanga. Einen Besuch wertist das Bernsteinmuseum.
Über die Autobahn A1 geht es ins Landesinnere. Ungewöhnlich fürdeutsche Gäste ist die Qualität der «Raststätten». Statt Fast Food inkantinenähnlicher Atmosphäre gibt es hier liebevoll zubereiteteLandesspezialitäten in urigen Holzgasthäusern. Serviert werden zumBeispiel Cepeliniai, fleischgefüllte Kartoffelknödel - wie diemeisten landestypischen Gerichte wahre Kalorienbomben.
Nach zwei Dritteln der Strecke nach Vilnius ist ein weitererHöhepunkt Litauens erreicht - das Freilichtmuseum Rumsiskes naheLitauens zweitgrößter Stadt Kaunas. Das parkartige Gelände beherbergt140 Häuser und 15 Bauernhöfe. Den Umgang mit Stiefelknecht undKäsepresse bekommt man in den Holzhäusern ebenso gezeigt wie den mitSpinnrad und Kornmühle.
Nach dem beschaulichen Rumsiskes fühlt sich der Besucher bei derAnkunft in Vilnius wie auf einer Zeitreise. In seiner Hauptstadtzeigt Litauen sein modernes Glitzergesicht. Bestens gekleideteJugendliche flanieren durch die Designerläden der City, dynamischeAufsteiger präsentieren ihren Erfolg mit Maßanzug und Laptop in denBistros. Vielen Westeuropäern ist noch immer nicht bewusst, dass dieZeiten des Eisernen Vorhangs schon sehr lange her sind und Litauenseitdem einen erstaunlichen Aufschwung erlebte.
Vilnius ist 2009 EU-Kulturhauptstadt. Die barocke Altstadt zähltzum UNESCO-Weltkulturerbe. Ehrwürdig alt wirkt auch die 30 Kilometerwestlich von Vilnius liegende Inselburg Trakai. In der gotischenSchlossanlage herrscht meist dichtes Gedränge. Viel wenigerspektakulär anzusehen ist ein 25 Kilometer nördlich von Vilniusgelegenes Wahrzeichen Litauens. Markiert mit einem Findling und einemanlässlich des EU-Beitritts 2004 errichteten Obelisken, befindet sichhier der geographische Mittelpunkt Europas.

