Ausstellung Ausstellung: Gezügelte Leidenschaft in trauter Poesie
Dessau/MZ. - Noch 1905 hätten die Arbeiten des "Heimatmalers" Paul Riess einige Dessauer stark irritiert. Diese waren noch derart an komponierte Landschaften gewöhnt, dass der frische Duktus der Freilichtmalerei als fremd empfunden wurde. Doch so wie der deutsche Impressionismus dem französischen nicht nur zeitlich hinterher hinkte, spazierte Riess dem deutschen Dreigestirn des Atmosphärischen hinterher, um von den befestigten Wegen des Gartenreiches in die unberührte Natur zu blicken.
Eine kleine Ausstellung ist dem bedeutendsten Dessauer Maler zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Hauptstelle der Sparkasse gewidmet. Neben der Schau im Johannbau, die das Lebenswerk der Maler Carl Marx, Schmidt-Uphoff und Heinz Rammelt ehrt, erinnert der Anhaltische Kunstverein somit wieder an einen Künstler der Stadt.
Seit der Gründung der Chalkographischen Gesellschaft hat die Landschaftsmalerei in Dessau Tradition. Zu nennen ist hier der Hofkupferstecher Carl Wilhelm Kolbe. Aber nach so bekannten Schülern wie den Brüdern Olivier kommt dann der Dessauer Landschaftsmalerei in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine bestenfalls lokale Bedeutung zu. Vielleicht lag dieses an der restaurativen Politik des Herzogs Leopold Friedrich, dessen Bemühen vornehmlich darauf zielte, das Erbe seines Großvaters zu bewahren. Man kann natürlich nicht wissen, ob Fürst Franz in der Mitte des 19. Jahrhunderts seinen Blick von antiken Ruinen gelöst hätte, um nach Frankreich zu sehen, etwa in den Wald von Fontainebleau, oder auf aneinander gesetzte Farbflecke, die später Flächen und Formen dividierten, bis die Atmosphäre das Motiv beherrschte.
Viel ist davon nicht bis nach Anhalt gedrungen. Und so ist es nicht verwunderlich, dass einige Dessauer irritiert waren, als sie die Bilder des 1857 in Fichtenwerder geborenen Paul Riess sahen, der 1896 in die Stadt kam. Riess war der Sohn eines Dekorationsmalers. Nachdem er den Beruf des Vaters erlernt hatte, nahm er in Berlin und an der Weimarer Malschule Unterricht. Fast 40 Jahre wirkte Paul Riess in Dessau, wo er 1933 in der Ringstraße 27 starb. Eine Verbindung zum Bauhaus hat er keineswegs gesucht.
Die kleine Ausstellung, konzipiert von Reinhard Melzer, bietet einen pointierten Blick auf die Schaffensphasen des Malers. Zwischen feinfühliger Poesie und gefühlsbetontem Pathos ist die "Holländische Winterlandschaft" noch eine ganz in sich geschlossene, überformte Komposition. Auf den Bildern "Herbstabend an der Fischerhütte" und "Beckerbruch" tauchen im Unterholz, an den ausgewaschenen Wurzeln des Ufers und den Spiegelungen des Wasser bizarre Formen auf, die weder dem Detail erliegen, noch dieses in Stimmungen auflösen. Aber es ist keine überformte Landschaft mehr, sondern ein Ausschnitt unmittelbarer Naturbegegnung.
Den "Februarabend am Schillergarten" dominiert eine mitten ins Bild gesetzte Baumgruppe, die der Komposition etwas Monumentales im bewegten Abendlicht des Himmels gibt. Schlanke, hoch gewachsene Birken vor diesem gewachsenen Koloss überziehen jetzt die Natur mit symbolischen Anspielungen. Paul Ries aber bleibt der Freilichtmaler, trotz impressionistischer Reminiszenzen und Exkursen in Richtung Jugendstil. Weiter ging der Dessauer Malerfürst in der bewegten Zeit zu Anfang des 20. Jahrhunderts nicht.