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Architekturgeschichte der Tankstelle in Frankfurt

15.01.2010, 12:43

Frankfurt/Main/dpa. - Tanken gehört heute zu den routinierten Tätigkeiten des Alltags. Und Tankstellen unterscheiden sich meist nur noch durch die Farben der Leuchtreklamen.

Das war in den 1950er Jahren noch anders, als der Bau von Tankstellen als avantgardistische Aufgabe galt. Die Tankstelle war auch als sozialer Treffpunkt von großer Bedeutung. In Europa war es die italienische AGIP, die mit ihren Tankstellen zum «Vorboten der Moderne» wurde, wie eine Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt zeigt.

In ihrer Architektur waren die Tankstellen nicht nur standardisiert. Es gab bei AGIP neben Telefonen und Toiletten auch früh schon Bars, in denen man seinen Cappuccino schlürfen konnte, während der Tankwart sich um das Auto kümmerte.

Schon vor dem Zweiten Weltkrieg sollten berühmte Architekten wie Hans Poelzig, Mies van der Rohe oder Arne Jacobsen Prototypen für Tankstellen entwerfen. Doch erst nach 1945 wurden mit Beginn des Wirtschaftswunders solche Bauten umgesetzt. Dass die seit 1953 zum Energiekonzern ENI gehörende AGIP zum Pionier wurde, ist Enrico Mattei zu verdanken. Der ENI-Chef machte nicht nur den feuerspeienden sechsbeinigen Hund zum AGIP-Logo. Auch alle Tankstellen sollten durch ihren Bau zum Wahrzeichen des Konzerns werden - heute wird das «Corporate Identity» genannt.

Für den Bau der Tankstellen gab Mattei dem Architekten Mario Bacciocchi 13 Typen vor: Alle sollten eine klare gemeinsame Linie haben. Stilprägend wurden dann die Bauten mit dem stark vorspringenden Dach und der nach unten abgebogenen Abschlusskante. Für das Haus wurden meist gerillte braun-rote Kacheln benutzt. «Damit hatte die Architektur einen hohen Wiedererkennungseffekt», sagt die Kuratorin der Ausstellung, Dorothea Deschermeier.

Im noch Anfang der 1960er stark landwirtschaftlich geprägten Italien sollte neben der Architektur der Tankstelle auch deren Design den Fortschritt symbolisieren. So ließ AGIP vom italienischen Designer Marcello Nizzoli exklusiv eine Zapfsäule entwerfen. Es handelte sich um ein Modell mit mechanischem Zählwerk, das nach jedem Tankvorgang auf Null zurückgestellt werden musste.

In einem groß angelegten Programm ließ AGIP in Italien pro Jahr rund 200 Tankstellen bauen. Wie damals in den USA schon üblich, sollten sie zielgerecht Servicestation werden: Tankwarte, die höflich und dienstbeflissen sein sollten, mussten sich schulen lassen. In Italien revolutionierte AGIP damit sogar die Sprache: Aus der «Auftank-Station» (stazione de rifornimento) wurde die «Service- Station» (stazione di servizio).

Die Ausstellung, die von diesem Samstag (16. Januar) bis zum 14. März zu sehen ist, stützt sich auf Fotos und auch Architekturmodelle aus dem AGIP-Firmenarchiv. Entstanden ist daraus eine sehr vergnügliche Kulturgeschichte der Tankstelle, die bisher bei Architekturhistorikern kaum Beachtung gefunden hat. In Italien sind die alten AGIP-Tankstellen oft noch zu bewundern. In Deutschland sind die Zapfsäulen aus der Nachkriegszeit fast überall verschwunden. Nur wenige Tankstellen wurden unter Denkmalschutz gestellt - zum Beispiel in Köln oder Karlsruhe.

dpaq.de/tankstelle