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Archäologie-Urlaub auf einer Ausgrabung

Von Ulf Vogler 06.08.2007, 09:33

Eichendorf/dpa. - Für viele Urlauber ist es während der Ferien die größte Anstrengung, am Strand mit der Plastikschippe eine Sandburg zu bauen. Anderen ist das nicht genug, die halten vom Faulenzen nichts.

Manche dieser Feriengäste graben dann in Niederbayern unter sengender Sonne tiefe Löcher in schwere, nasse Erde. Rund zwei Dutzend Interessenten haben auch in diesem Jahr wieder im Landkreis Dingolfing-Landau Aktivferien der besonderen Art gebucht. Ausgestattet mit Spaten und Schubkarre suchen diese Gäste am Ortsrand von Eichendorf nach 2500 Jahre altem Schmuck oder Skeletten.

«Urlaub auf einer Ausgrabung» heißt das Angebot, das der Kreisarchäologe Ludwig Kreiner bereits zum zwölften Mal anbietet. Seine Feriengäste reisen aus ganz Deutschland und dem Ausland an, einige der Hobby-Archäologen kommen seit den 90er Jahren regelmäßig immer wieder zu den wissenschaftlichen Crash-Kursen. «Das ist für viele ein Kindheitstraum, so etwas wie Schatzsuche», weiß Kreiner. Sein Landkreis mit mehr als 2000 unterirdischen Siedlungen aus der Bronze- oder Jungsteinzeit ist ein El Dorado für Forscher. Nirgends in Bayern gibt es mehr Bodendenkmäler.

Etwa 15 Freizeit-Archäologen sind bei Kreiner feste «Kunden». Thomas Stahl aus Oberursel und der Hamburger Roland Sedlmaier gehören zu denen, die es immer wieder zum Buddeln nach Niederbayern zieht. Geld bezahlen und dafür auch noch arbeiten - die beiden nehmen es mit Humor: «Wir fragen uns auch, warum wir das immer wieder machen.» Letztlich sei es wohl der Urtrieb vom «Jäger und Sammler», meint Sedlmaier. Dazu käme noch das Ambiente mit den schönen Biergärten und gelegentliche Erfolge: «Wir haben einmal elf Scherben gefunden, die zusammenpassten und einen halben Krug ergaben.»

Der Norddeutsche hat in seinem Bekanntenkreis schon mehrere Archäologie-Begeisterte entdeckt und mitgebracht. In diesem Jahr hat er Kollegin Nanette Viebach angeworben. «Ich bin Geschichtslehrerin und habe insofern einen Draht dafür», sagt sie. Wer wie Viebach das erste Mal zu einer Ausgrabung kommt, bekommt den Spitznamen «Grubenferkel» verpasst. Man müsse erst lernen, sich korrekt wie ein Forscher zu benehmen, erklären ihr die langjährigen Hobby-Gräber.

Kreiner ist auf dem Gebiet der Archäologie-Urlaube ein Pionier in der Bundesrepublik, doch mittlerweile wird diese Form der Abenteuerferien auch in anderen Regionen angeboten. So will auch das Landshuter Landratsamt seit einigen Jahren mit Grabungen in einer Siedlung der Oberlauterbacher Kultur (etwa 4800 vor Christus) «touristische Akzente» setzen. Im September wird es solch ein Angebot auch erstmals im Naturpark Altmühltal in Oberbayern geben. Dort können die Gäste im Landkreis Eichstätt einen römischen Gutshof am Limes erkunden.

«Die Israelis haben diese Urlaubsgrabungen erfunden», erklärt Kreiner. Dabei geht es Kreiner gar nicht darum, eine Marktlücke zu schließen. Früher hätten immer wieder Interessierte bei Grabungen mitmachen wollen, erzählt er. Da habe er ein entsprechend professionell organisiertes Angebot gemacht. Schon in den ersten Jahren gab es dabei spektakuläre Funde: Urlauber förderten die 6000 Jahre Tonfigur «Venus von Aufhausen» und zwei mehr als 4000 Jahre alte Gold-Armbänder zu Tage.

Bei dem Feriengrabungen buchen die Gäste ein einwöchiges Komplettprogramm mit Unterkunft. Vormittags dürfen die Urlauber bei der Grabung mitmachen, am Nachmittag organisiert Kreiner Ausflüge in Museen oder zur bayerischen Landesausstellung in Zwiesel. Im Mittelpunkt der Ferien steht aber die Erforschung des Eichendorfer Neubaugebietes. Nachdem ein Bagger einen halben Meter Erde abgetragen hat, erkennt Kreiner an dunklen Verfärbungen die interessanten Stellen. Der schwarze Boden verrät dem Experten die Standorte von Holzpfeilern von früheren Bauten oder frühzeitliche Müllgruben.

Mit einem Preis von 420 Euro gehört der hauptberufliche Landkreisarchäologe zu den günstigsten Veranstaltern. «Mir geht es auch gar nicht darum, Geld zu verdienen», sagt Kreiner. Den kleinen jährlichen Überschuss steckt er in Projekte, für die es sonst keine Fördermittel gibt.

Thomas Stahl betrachtet die Welt mit anderen Augen, seitdem er bei Kreiner das Ein-Mal-Eins der Archäologie gelernt hat. Landschaften betrachtet er nun wie ein Wissenschaftler. Selbst bei Pflanzaktionen im heimatlichen Garten holen den Hessen seine Urlaubserfahrungen ein: «Wenn ich da Löcher grabe, sieht das dann aus wie auf der Ausgrabung», berichtet Stahl. Mehrfach habe er dabei auch schon mittelalterliche Scherben entdeckt.

Informationen: «Urlaub auf einer Ausgrabung», Kreisarchäologie Dingolfing-Landau, Obere Stadt 13, 84130 Dingolfing, Telefon: 08731/393855, Fax: 08731/393859, E-Mail: [email protected]