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Abseitsregel im Fußball Abseitsregel im Fußball: Nicht im Feld und doch im Spiel

Von Arne Richter und Jens Marx 10.06.2008, 11:26
Ruud van Nistelrooys Treffer in der 43. Minute war regulär, weil außer Italiens Torwart Gianluigi Buffon auch noch der hinter die Torauslinie gerutschte Verteidiger Christian Panucci zu berücksichtigen war. (Foto: dpa)
Ruud van Nistelrooys Treffer in der 43. Minute war regulär, weil außer Italiens Torwart Gianluigi Buffon auch noch der hinter die Torauslinie gerutschte Verteidiger Christian Panucci zu berücksichtigen war. (Foto: dpa) EPA

Basel/dpa. - Das umstrittene Tor von Ruud van Nistelrooy für die Niederlandeim EM-Spiel gegen Italien (3:0) hat eine neue Kontroverse über die ohnehin immer wieder heftig diskutierte Abseitsregel ausgelöst. Um die Wogen möglichst schnell zu glätten, schritt am Dienstagmorgen UEFA-Generalsekretär David Taylor ein und erläuterte die offiziellen Regularien für den ungewöhnlichen Fall vom Montagabend in Bern. «Es gibt eine Wissenslücke in der Fußballgemeinde, und das ist auch absolut verständlich. Auch wenn ein Spieler nicht auf dem Spielfeld ist, ist er im Spiel», sagte Taylor bei einer Pressekonferenz des EM-Organisationskomitees. Einzig maßgeblich für Abseitsentscheidungen ist die Regel 11 der internationalen Fußball-Gesetze.

Dieser Paragraph dokumentiert deutlich: «Ein Spieler befindet sich in einer Abseitsstellung, wenn er der gegnerischen Torlinie näher ist als der Ball und der vorletzte Abwehrspieler.» Ob sich der vorletzte Abwehrspieler vor oder hinter dem Tor befindet, ist nicht explizit erwähnt und somit unerheblich. Van Nistelrooys Treffer war demnach regulär, weil außer Italien-Torwart Gianluigi Buffon auchnoch der hinter die Torauslinie gerutschte Verteidiger ChristianPanucci zu berücksichtigen war. Der schwedische Schiedsrichter PeterFröjdfelt und sein Linienrichter entschieden richtig.

Auch DFB-Schiedsrichterlehrwart Eugen Striegel bestätigte derDeutschen Presse-Agentur dpa das bislang auch großen Fußball-Expertenunbekannte Detail. «Wenn diese Regel nicht so wäre, wie sie ist,würden Abwehrspieler ganz häufig einfach das Spielfeld verlassen undden Stürmer abseits stellen. Das wäre eine Farce. Diese Regel willdas verhindern», sagte er.

Nach van Nistelrooys Treffer stand bei Striegel das Telefon nichtmehr still. «Ich habe Anrufe aus der ganzen Welt bekommen. Es gabeine offizielle Anfrage des Verbandes der USA, auch Italien hat sicherkundigt. Und selbst ein ehemaliger Bundesliga-Schiedsrichter hatnachgefragt. Aber 99,9 Prozent der Schiedsrichter ist das klar»,sagte er.

Verwundert zeigte sich jedoch auch Bundestrainer Joachim Löw: «Ichpersönlich wusste von dieser Regelauslegung nichts. Da warich auch überrascht. Dass zwei, drei Spieler rauslaufen und dannabseits ist... aber er ist ja rausgedrängt worden.» Nachzulesen istdas Regelwerk auf der Internetseite des Weltverbandes FIFA(www.fifa.com).

Unwissend war offensichtlich auch Bayern Münchens Italien-StürmerLuca Toni, der den Gegentreffer auf der Video-Leinwand im Stadionsah, heftig protestierte und sich eine Gelbe Karte einhandelte. Toniwar aber nicht allein: Auch ARD-Experte Günter Netzer gestandöffentlich, dass ihm die Regel nicht geläufig war und sprach damitsicherlich vielen eingefleischten Fußball-Fans aus dem Herzen.

Dennoch bietet die Regel Raum für Debatten und UEFA-Mann Taylorschloss am Dienstag nicht aus, dass sich das für alle Regelfragenzuständige International Football Association Board (IFAB) künftigdamit befassen könnte. Unklar ist beispielsweise, ob van Nistelrooyim Abseits gewesen wäre, wenn er näher zum Tor gestanden hätte alsPanucci.

Laut Taylor: Nein. Weil sonst ein Verteidiger nur weit genughinter das Tor laufen müsste, um den Angreifer abseits zu stellen.Solch spezielle Fälle sind durch Regel 11 (noch) nicht geklärt.Lehrwart Striegel will vor der nächsten Bundesliga-Saison alle Profissensibilisieren. «Wir gehen mit einem Video von der EM zu denBundesligavereinen, da wird diese Situation auch drin sein. Ich habesie mir schon kopiert.»