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Handball-Hochburg Sachsen-Anhalt  Warum Sachsen-Anhalt die Handball-Hochburg Deutschlands ist

Von Ullrich Kroemer und Daniel George 18.11.2016, 11:00
Wieder ein Titel: Nationalspieler Matthias Musche, gebürtiger Magdeburger, durfte in der vergangenen Saison mit dem SC Magdeburg den Pokalsieg bejubeln. 
Wieder ein Titel: Nationalspieler Matthias Musche, gebürtiger Magdeburger, durfte in der vergangenen Saison mit dem SC Magdeburg den Pokalsieg bejubeln.  dpa

Halle (Saale) - Der Handballtrainer Christian Prokop saß mitten auf dem Spielfeld der Leipziger Arena. Wo sonst sein Bundesligateam DHfK Leipzig spielt, war am Donnerstagmittag das Podium für die Pressekonferenz aufgebaut.

Hinter Prokop leuchtete der überdimensionale Videowürfel, rings herum leere Ränge, vor ihm zahlreiche Journalisten, Fotografen und Kamerateams.

Das Bild passt ganz gut zu Prokops aktueller Situation. Denn sozusagen über Nacht ist der 37-Jährige aus Köthen plötzlich von der Seitenlinie, seinem sonstigen Arbeitsplatz in der Handball-Bundesliga (HBL), in den Fokus der deutschen Sportöffentlichkeit gerückt.

Prokop als Handball-Bundestrainer im Gespräch

Wie am Mittwoch publik wurde, ist Prokop ein heißer Anwärter für das Amt des Bundestrainers der Männer-Nationalmannschaft – trotz gerade bis 2021 verlängerten Vertrages in Leipzig.

„Eine Entscheidung gegen Leipzig würde sehr weh tun“, sagte Prokop. „Aber es ist eben kein anderer Verein, mit dem man sich austauscht, sondern es geht um das höchste Amt im deutschen Handball. Dass ich mich damit befasse, ist nur menschlich.“

Zwar steht noch in den Sternen, ob und unter welchen Umständen Prokop das Amt tatsächlich übernehmen wird, frühestens wohl am Saisonende.

SC Magdeburg hält die Fahne hoch

Doch allein, dass Prokop von der Findungskommission des DHB unter Leitung von Bob Hanning auserkoren wurde, ist auch Bestätigung und Auszeichnung für den Handball in Mitteldeutschland und Sachsen-Anhalt.

Dass in Prokop einer für den Bundestrainer-Posten infrage kommt, der bei der HG 85 Köthen das Handballspielen erlernt hat und beim SV Bernburg und Dessauer HV seinen Weg in die Bundesliga begonnen hat, ist nur ein weiterer Beleg für die zunehmende Bedeutung der Sachsen-Anhalter im deutschen Handball.

So ist der Ascherslebener Oberbürgermeister Andreas Michelmann seit über einem Jahr Präsident des DHB. Als einziger Klub aus den neuen Bundesländern hält der SC Magdeburg die ostdeutschen Fahnen seit der Wende ununterbrochen in der Bundesliga hoch – der viel zitierten stärksten Liga der Welt.

Referee-Duo Geipel/Helbig hat schon in Rio gepfiffen

Mit Lars Geipel, stellvertretender Chefredakteur dieser Zeitung, und Marcus Helbig stammen zwei der weltbesten Schiedsrichter aus dem Landesverband Sachsen-Anhalt. In Naumburg entsteht gerade ein Bundesleistungszentrum des Deutschen Handball-Bundes (DHB). Sachsen-Anhalt, das Handball-Land!

Ursprung ist die Begeisterung, die in der Region seit jeher für ebenso rauen wie herzlichen und bodenständigen Sport da war und auch nach der Wende aufrecht erhalten wurde.

Heinz Prokop – Vater des potenziellen Bundestrainers – weiß, wovon er spricht, wenn es um Handball in Sachsen-Anhalt geht. Prokop senior war jahrelang Trainer in Köthen. Später beim SV Anhalt Bernburg und Concordia Staßfurt.

„Die Handball-Fans in Sachsen-Anhalt sind unfassbar begeisterungsfähig“, sagt der 63-Jährige. „Schon früher ist keine Mannschaft, egal wie gut sie auch war, gerne zum SC Magdeburg gefahren. Und auch heute haben manche Spieler bestimmt die Hosen voll, wenn sie in dieser Halle vor diesem Publikum auf der Platte stehen.“

So bildet der Stellenwert, den der Sport in der Region genießt, den Nährboden für Talente auf ganz unterschiedlichen Gebieten. Das Referee-Duo Geipel/Helbig etwa entstammt der hervorragenden Schiedsrichter-Schule unter Führung des früheren Landesverbands-Präsidenten Eberhard Gläser.

„Das Schiedsrichterwesen hat hier viel Tradition, so dass es da immer ein großes Talente-Reservoir gab“, erklärt DHB-Präsident Michelmann.

„Handball ist in Sachsen-Anhalt tief verwurzelt“

Der Lokalpolitiker machte sich als Vize-Präsident für Amateur- und Breitensport in der Handballszene einen Namen. Nach den Querelen an der Führungsspitze steht er bislang dafür, den größten Handballverband der Welt mit viel solider Arbeit und Bodenhaftung geeint zu haben.

„Ich sehe meine Aufgabe darin, diesen großen Laden DHB zusammenzuhalten“, sagt er. „Die Region kann schon stolz darauf sein, dass einer von uns Präsident des DHB geworden ist.“

Marc-Henrik Schmedt ist zwar gebürtiger Bonner, kennt aber nach über sechs Jahren als Manager des SC Magdeburg die sachsen-anhaltische Handballseele sehr genau.

„Handball ist in Sachsen-Anhalt tief verwurzelt“, sagt er. „Die Sportart ist hinter Fußball ganz klar die Nummer zwei. Entsprechend hoch ist die Aufmerksamkeit.“

Da es anders als in vielen Standorten der HBL keine Mäzen-geführten Klubs gebe, weil dazu in Sachsen-Anhalt wirtschaftliche Strukturen fehlten, sei es dennoch „ein harter Kampf, um in der Bundesliga konkurrenzfähig mitspielen zu können“.

Ist Prokop als Bundestrainer geeignet?

Dass das neben den Magdeburgern nun bereits im zweiten Jahr auch dem aktuellen Ligasechsten DHfK Leipzig gelingt, nötigt Schmedt „großen Respekt“ ab. Mit Christian Prokop, der dafür hauptverantwortlich ist, ist Schmedt gut befreundet.

Schmedt betont aber, dass ihn die Bundestrainerfrage nichts angehe, sondern Sache des DHB sei. Aber er sagt auch, dass Prokop gut in die Philosophie des Verbands passen würde. „Er ist ein guter, junger Trainer. Wenn es die Möglichkeit gibt, wäre das konsequent vom DHB, wenn man das so umsetzt.“

Prokop selbst ist dieser Tage anzumerken, wie sehr ihn selbst diese Thema beschäftigt. Er hat Augenringe, hat wohl nicht viel geschlafen in der vergangenen Nacht, und ringt um diplomatische Antworten. Schließlich ist überhaupt noch nicht endgültig klar, ob Bundestrainer Dagur Sigurdsson tatsächlich nach der Weltmeisterschaft im Januar aufhört.

Das hält Stefan Kretzschmar von Christian Prokop

Stefan Kretzschmar, einst Handball-Punk, nun mediales Gesicht des deutschen Handballs und ein weiteres mitteldeutsches Aushängeschild, tritt etwas auf die Bremse. „Kretzsche“, Aufsichtsratsmitglied bei DHfK, gibt zu Bedenken: „Für das Projekt Leipzig ist Prokop ein herausragender, der bestmögliche Trainer. Das hat aber auch ein anderes Anforderungsprofil als das eines Nationaltrainers. Ob es dafür reicht, weiß ich nicht.“

Rat bei der schwierigen Entscheidung holt sich der gefragte Handballlehrer auch bei seinem Vater Heinz, der für seinen Sohn „ein toller und wertvoller Ratgeber“ sei, sagt Prokop junior.

Ob sein Sohn ein guter Bundestrainer wäre? Heinz Prokop sagt: „Christian ist ein Trainer, der sehr akribisch arbeitet. Einer, der junge Spieler weiterbringen kann.“ Also: „Ich stehe dem positiv gegenüber. Er kann das schaffen. Auch wenn das große Schuhe sind, in die er höchstwahrscheinlich steigen wird.“

Auch Heinz Prokop hat Respekt davor, dass sein Sohn womöglich bald im Zentrum des deutschen Handballs steht. Als weiteres Aushängeschild des Handballs in Sachsen-Anhalt.  (mz)