Tour de France Tour de France: Marcel Kittel als Botschafter für den deutschen Radsport

Vittel - Am Dienstag hat sich Marcel Kittel nur obenrum grün angezogen. Grünes Trikot für die Nummer eins der Sprintwertung und grüner Helm, um auch von weitem als derzeit bester Sprinter des Feldes ausgemacht zu werden. Kittel (29) hat allerdings der Versuchung widerstanden, sich während der dritten Etappe als grünes Männchen zu verkleiden - die Hose blieb schwarz. Kittel ist ein extrovertierter, sehr freundlicher Mensch, eloquent, stets locker und bereit, eine Pointe zu setzen. Doch übertrieben eitel ist er offensichtlich nicht. Auffällig wäre Kittel bei dieser 104. Tour de France zudem auch in einem grauen Dress. Weil er in Top-Form ist. Unwiderstehlich in den Sprints. Am Sonntag gewann er das Finale spielend leicht. Die französische Sportzeitung L'Équipe titelte: "Kittel hat Flügel."
Das Finale am Montag kam Kittel nicht entgegen. Auf dem 1,6 Kilometer langen und sehr steilen Schlussanstieg nach Longwy war er schnell abgehängt und winkte in die Kameras. "Das hat Spaß gemacht heute, auch wenn das Finale schwer war." Die beste Nachricht des Tages war für Kittel, dass er trotz Tagesplatzierung 128 sein Grünes Trikot verteidigt hatte. Am Dienstag wartet nun ein "flacher Tag auf uns, auch wenn es am Schluss nicht leicht sein wird." Dennoch: "Da sollte was gehen."
Kittel hat nun bereits zehn Tour-Tagessiege, zwei weniger als Erik Zabel, der deutsche Rekordhalter. Und am Abend feierte er den Erfolg mit seinen Teamkollegen im Château des Thermes, einem Hotel südlich von Lüttich, mit einem Glas Champagner. Teamarbeit ist Kittel wichtig, das zeigte er auch direkt nach seinem Erfolg, als er jeden seiner Kollegen umarmte und sich für deren Hilfe bedankte.
Allerdings war Kittel am Sonntag auch sehr bewegt. Im Ziel liefen ihm Freudentränen über die Wangen. Während der Etappe von Düsseldorf durch NRW nach Lüttich hatte er Gänsehaut und manchmal wurden seine Augen auch unterwegs schon feucht - vor Rührung angesichts der riesigen Menschenmenge an den Straßenrändern. "Für mich ist das einer der schönsten Erfolge meines Lebens", sagte Kittel. Er hatte für sich das Gefühl, etwas Besonderes erreicht zu haben - die Rückgewinnung von Vertrauen des deutschen Radsportpublikums.
Zusammen mit seinen befreundeten Profikollegen John Degenkolb (28) und Tony Martin (32) sowie mit André Greipel (34) steht Kittel für eine Generation, die sich offensiv gegen Doping positioniert. Und die mit Erfolgen auf sich und den deutschen Radsport aufmerksam gemacht hat. Deutsche Fahrer sind in Bezug auf Tagessiege seit fünf Jahren die mit Abstand erfolgreichste Nation bei der Tour. "Wir waren in gewisser Weise Werbeleute und haben versucht, etwas anzuschieben. Es ist daher ein schönes Gefühl, wenn du das Ergebnis von vielen Leuten, die daran gearbeitet haben, an der Strecke siehst", sagte Kittel.
In seinem belgischen Quickstep-Team jedoch ist die Situation delikat. Denn mit dem Kolumbianer Fernando Gaviria gibt es einen weiteren exzellenten Sprinter in der Gruppe. Beim Giro d'Italia im Mai gewann Gaviria vier Etappen. "Wenn Fernando vier Giro-Etappen gewinnt, dann ist klar, wo für ihn die Reise hingehen soll, die Ambition ist ja da", sagt Kittel und meint damit, dass auch sein Kollege bei der Tour starten möchte. Doch Kittel und Gaviria für Quickstep bei der Tour - das wird es nicht geben, Teamchef Lefévère legte sich schon fest: "Beide bei der Tour, das ist unmöglich. Wir werden das Problem lösen."
Passenderweise laufen die Verträge des Duos aus. Tony Martin hatte schon in Düsseldorf zu verstehen gegeben, dass er 2018 gerne wieder mit Kittel in einer Mannschaft fahren würde. Martin ist bei Katusha-Alpecin engagiert, dem Team mit deutschem Co-Sponsor. Kittel und Katusha - das ist eine Verbindung, die sich bei dieser Tour zu einem heißen Gerücht entwickelt. Zumal Katushas Sprinter Alexander Kristoff die Formation offenbar verlassen möchte. Kittel will die Verhandlungen noch im Verlauf der Tour abgeschlossen haben. Klar ist: Kittel wäre als Wort-, Werbe- und Sieg-Botschafter ein Geschenk für einen deutschen Sponsor.
Peter Sagan gewinnt
Die dritte Etappe der 104. Tour de France, die nach 212,5 Kilometer zwischen Verviers und Longwy endete, gewann der slowakische Weltmeister Peter Sagan. Im Finale wartete ein 1,6 Kilometer langer Anstieg der dritten Kategorie. Sagan bescherte seinem deutschen Team Bora-hansgrohe den ersten Tour-Etappensieg. In der Ausreißergruppe zeigte sich der Kölner Nils Politt, der aber 30 Kilometer vor dem Ziel gestellt wurde. Das Gelbe Trikot behält der Brite Geraint Thomas.