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Gesundheit Sport mit Diabetes: Wie Zverev und Co. der Krankheit trotzen

Kindheitstrauma, Geheimnis: Seine Diabetes-Erkrankung hielt Zverev lang versteckt. In 90 Prozent seiner Matches sei sie kein Problem. Auch andere beweisen, dass Profisport trotz Risiken funktioniert.

Von Kristina Puck, dpa 16.06.2025, 10:59
Alexander Zverev misst während der Matches seinen Blutzucker.
Alexander Zverev misst während der Matches seinen Blutzucker. Marijan Murat/dpa

Alexander Zverev blickte in seine Tasche, er wühlte auch mal darin herum. Womit er sich beim Seitenwechsel beschäftigte, löste vor einigen Jahren mal Vorwürfe aus, er würde auf seinem Handy tippen und schummeln. Seitdem seine Erkrankung bekannt ist, sind solche Szenen anders zu erklären. 

Der Tennisstar hat Diabetes. In den Pausen eines Matches seinen Blutzuckerspiegel zu kontrollieren, gehört für ihn zur Normalität. Das war zuletzt auch auf dem Stuttgarter Weissenhof zu sehen, wo er ins Finale einzog.

Zverev: In 90 Prozent der Matches kein Problem

Wie andere beweist Zverev, dass Profisport trotzdem möglich ist. Einige Diabetiker haben sich zu sportlichen Vorbildern entwickelt. Darunter Ex-Gewichtheber Matthias Steiner, der einen Tag vor seinem 18. Geburtstag und damit Jahre vor seinem Olympiasieg 2008 von der Erkrankung erfuhr. 

„Die Hauptsache ist, dass du deinen Zucker-Level in einem bestimmten Bereich hältst. Manchmal mache ich das mit Insulin, manchmal mit Glukose“, erklärte Zverev bei den French Open. „Wenn ich den Zucker im richtigen Bereich halte, dann ist es kein Problem. Und das ist in 90 Prozent der Matches der Fall.“ 

In zehn Prozent der Spiele, so hieße das, mache es einen Unterschied. Wenn der Zucker zu hoch oder zu niedrig werde, spüre er das schon. „Dann ist man zu langsam oder die Reaktion ist nicht so da wie bei normalen Zuckerwerten.“ 

Zverev „im Krankenhaus gelandet“ und als Kind gehänselt

Zverev war längst nicht eingeschult, als bei ihm Diabetes Typ 1 diagnostiziert wurde. „Ich bin irgendwann im Krankenhaus gelandet und auf einmal muss man sich vor jedem Essen spritzen“, erzählte der 28-Jährige bei Magenta. 

Früher hätten ihm Ärzte gesagt, er solle sich Profisport abschminken. Heute sehe er dafür keinen Grund. Es gebe keine Grenzen. „Ich habe mich von meinem Diabetes nie aufhalten lassen“, sagte er. Wenn man die Erkrankung im Griff habe und erwachsen genug damit umgehe, könne man alles erreichen. 

Diabetes (Zuckerkrankheit) ist eine krankhafte Störung des Zuckerstoffwechsels, die unbehandelt schwere Folge-Erkrankungen nach sich ziehen kann. Der Körper kann bei Typ-1-Diabetes kaum oder kein Insulin mehr produzieren. Zucker kann nicht ausreichend in die Körperzellen aufgenommen und verwertet werden. Typ-1-Diabetes, wie bei Zverev, ist nicht heilbar. Die Betroffenen müssen dem Körper von außen Insulin zuführen. 

Zu unterscheiden ist es von Diabetes Typ 2, das durch Veranlagung, aber vor allem durch Übergewicht und Bewegungsmangel verursacht werden kann. 

Lange Zeit habe er sich für die Erkrankung geschämt, berichtete Zverev. Er sei als Kind gehänselt worden, seine Ausrüstung sei ihm einmal gestohlen worden. Zu Beginn seiner Karriere habe er die Krankheit geleugnet und sich versteckt, um sich zu spritzen. Erst 2022 machte Zverev seine Erkrankung öffentlich. 

Was bedeutet Diabetes?

Der Blutzuckerspiegel kann sich auf die muskuläre und mentale Belastbarkeit auswirken. Akut gefährlich ist vor allem eine Unterzuckerung. „Die Unterzuckerung führt zu Leistungsverlust, Schwindel, kann aber bis zur Ohnmacht und im Extremfall bis hin zum Tod führen“, sagte Sportmediziner Jan Wüstenfeld vom Institut für Angewandte Trainingswissenschaft in Leipzig. Wegen dieser Gefahren habe man früher vom Leistungssport abgeraten. 

Jetzt wisse man mehr über positive Effekte des Sports, auch wenn Gefahren und besonderen Herausforderungen bleiben. „Es ist definitiv schwieriger, mit einem Typ 1 Diabetes Profisportler zu werden“, sagte Hans-Georg Predel von der Deutschen Sporthochschule Köln.

Im Falle einer Unterzuckerung falle die Konzentrationsfähigkeit und Feinmotorik dramatisch ab. „Die Radfahrer beschreiben das als Hammer oder Hungerast, der plötzlich kommt. Auch andere Leistungssportler können natürlich in eine Unterzuckerung kommen, aber bei einem Typ-1-Diabetiker ist die Gefahr noch deutlich größer“, sagte Predel.

Ein ganzes Team mit Diabetikern

Im Radsport gibt es das Team Novo Nordisk, in dem nur Athleten mit Diabetes fahren. Diabetiker Timur Oruz wurde 2023 Hockey-Weltmeister. Fußballerin Sandra Starke spielt Bundesliga für RB Leipzig. Spitzen-Triathletin Anne Haug berichtete, dass sich bei ihr nach einer Corona-Erkrankung Diabetes entwickelt habe. Steiner sagte, eine verschleppte Grippe löste es bei ihm aus.

„Es ist eine ständige Planerei: Habe ich Stress? Wird Adrenalin ausgeschüttet? Brauche ich deshalb mehr Insulin? Welche körperliche Belastung kommt noch?“, schilderte Steiner vor ein paar Jahren im „Stern“ über Gedanken im Alltag. 

Je nach Art der Sportart, ob Ausdauersport, Sprint oder einem Sport mit langen und wechselnden Intensitäten wie Tennis, kann der Blutzuckerspiegel unterschiedlich reagieren. Verschiedene Maßnahmen können erforderlich sein. 

„Was das gesamte Ernährungsmanagement angeht, während und nach der Belastung, sind die natürlich einfach mehr gefordert“, sagte Wüstenfeld. Als besondere Herausforderung im Tennis kommt hinzu, dass vor einem Match nie klar ist, wie lange es sich hinzieht. 

French Open: Insulin-Spritzen führen zu Problemen und Debatte 

Engmaschig muss Zverev seine Werte kontrollieren. Einen Sensor trägt er am Gesäß. Andere tragen ihn am Oberarm. Die Erfahrungen aus im Training gemessenen Werten können sich im Wettkampf anders darstellen. „Nervosität spielt immer noch 'ne Rolle“, erklärte Zverev. 

Vor zwei Jahren bei den French Open sorgte es für Aufruhr, als sich Zverev während eines Matches Insulin in den Oberschenkel spritzte. Zverev berichtete, wie ihm zwischenzeitlich verboten wurde, sich auf dem Platz zu spritzen. „Da habe ich gesagt: Leute, es kann sein, dass ich vier-, fünfmal vom Platz laufen muss. Ich habe nur zwei Toilettenpausen“, berichtete er. 

Verantwortliche hätten ihm gesagt, es sehe aus, als würde er was „Komisches“ machen, als ob er dopen würde. „Ihr seid nicht sehr, sehr schlau“, sei seine Reaktion gewesen. „Wenn ich mich nicht spritze, komme ich in Lebensgefahr.“