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Sommerspiele in Tokio Spaßbefreites Olympia-Herz: Athletendorf als Isolierstation

Das olympische Dorf in Tokio ist ziemlich spaßbefreit. Die strengen Corona-Regeln werden dem Herzen der Spiele viel von seinem Reiz nehmen. Dabei hatten die Olympia-Macher sich einiges einfallen lassen.

Von Christian Hollmann, dpa 17.07.2021, 12:41
Das olympische Dorf wird in Tokio nicht so sehr zur Partyzone werden wie bei früheren Spielen.
Das olympische Dorf wird in Tokio nicht so sehr zur Partyzone werden wie bei früheren Spielen. ---/Kyodo/dpa

Tokio - Im Sehnsuchtsort vieler Athleten sind die Betten aus Pappe. Das olympische Dorf an der Harumi-Uferpromenade von Tokio begrüßt die Sportler mit nachhaltigen Schlafgelegenheiten und schöner Aussicht auf die Regenbogenbrücke - aber eben auch als streng gesicherte Corona-Isolierzone.

Das Partyleben vergangener Spiele, der internationale Austausch unter den Olympioniken, das Urlaubsgefühl für die Athleten, die ihre Wettbewerbe schon beendet haben - all das fällt bei den Pandemie-Spielen in Japan diesmal weitgehend aus.

„So schnell wie möglich hin und so schnell wie möglich nach Hause. Das nimmt alles, was das olympische Dasein ausmacht“, sagt Kugelstoßerin Christina Schwanitz. Die 35-Jährige hat in Peking 2008, London 2012 und Rio 2016 pulsierende Athletendörfer erlebt. „Dieses Glamouröse, so viele Sportler, man kann sich mit der Welt austauschen. Das findet alles nicht statt“, sagt Schwanitz.

Wo das olympische Herz schlägt

Fünf bis maximal sieben Tage vor ihrem Wettkampf dürfen die Sportlerinnen und Sportler ins Dorf einziehen, spätestens zwei Tage nach dem letzten Auftritt muss das Zimmer geräumt werden. Rund 17.000 Athleten und Offizielle werden in den 21 Gebäuden innerhalb des 44 Hektar großen Areals in der Bucht von Tokio wohnen, gleichzeitig werden es aber nur maximal 6000 sein. Nach Olympia und Paralympics sollen die Unterkünfte in mehr als 41.000 Wohnungen umgewandelt werden.

Als betriebsamer Treffpunkt war die Plaza des Dorfes gedacht, auf der sich ein Café, ein Blumenladen, eine Bank, ein Fotostudio und eine Reinigung findet. Für den Bau der Plaza wurde unter anderem Holz aus 63 Gemeinden in ganz Japan verwendet. In der großen Mensa des Dorfes, die rund um die Uhr geöffnet ist, sollen rund 700 verschiedene Gerichte angeboten werden. Entspannung sollen die Sportlerinnen und Sportler am Harumi-Hafenpark und beim Tischtennis in einem multifunktionalen Erholungszentrum finden. Durch das Dorf verkehren fahrerlose Elektro-Busse.

Neben einem Fitnesszentrum und einem Shop für Olympia-Fanartikel gibt es auch eine Doping-Kontrollstation und natürlich Testzentren und einen medizinischen Bereich für Coronafälle. Den ersten gab es schon wenige Tage nach der Eröffnung des Dorfes, als ein Funktionär positiv auf das Virus getestet wurde. Die Verhaltensregeln in der Pandemie werden auch den Aufenthalt im Dorf bestimmen. Tägliche Tests, Maskenpflicht, Abstandsgebote, Alkoholverbot in öffentlichen Bereichen - da ist olympische Disziplin gefragt.

So hält sich die Vorfreude auf das Dorf, wo sonst Olympias Herz schlägt, diesmal in Grenzen. „Ich habe am liebsten Spaß bei den Sachen, die ich mache. Ich hätte lieber ein richtiges olympisches Dorf gehabt“, sagt Renn-Kanute Jacob Schopf. Am Fokus auf die Ziele bei den Spielen werde das aber nichts ändern, beteuert der 22-Jährige. „Egal ob es da eine Quarantäne-Anstalt ist, wo man nur weiße Wände hat oder ein buntes Dorf. Jeder Athlet ist da Profi, geht an den Start und ist mit dem Sinn komplett im Rennen, nicht im McDonalds-Stand im olympischen Dorf“, sagt Schopf.

Begegnungen beim Burger-Brater gehört übrigens zum Legenden-Schatz des Athletendorfs. In Rio sollen die Schlangen so lang gewesen sein, dass die Bestellungen auf höchstens 20 Einzelteile beschränkt wurden. Noch öfter erzählt werden die Geschichten von erotischen Abenteuern in den Sportler-Unterkünften. „Sex ist immer ein Thema im Dorf. Die Sportler haben ja bei Olympia ihren körperlichen Höhepunkt. Ist der Wettkampf vorbei, wollen sie ihre Energie ausleben“, erzählte die frühere Weitspringerin Susen Tiedtke jüngst der „Bild“.

Anders als bei allen Spielen seit Seoul 1988 erhalten die Olympioniken jedoch diesmal keine Kondome beim Check-in im Dorf. Stattdessen werden sie die 160.000 eingeplanten Verhütungsmittel erst bei der Abreise bekommen.