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Schwimm-WM in Kasan Schwimm-WM in Kasan: Rob Muffels schwimmt zu Silber

Von Petra Szag 25.07.2015, 11:50
Schwimmer Rob Muffels freut sich über Platz zwei.
Schwimmer Rob Muffels freut sich über Platz zwei. Reuters Lizenz

Kasan - Der Flieger war gerade gelandet. Da machte der Pilot etwas ganz erstaunliches. Statt wie immer seinen Fluggästen einen schönen Aufenthalt in Kasan zu wünschen, empfahl er, doch einmal bei der Schwimm-WM vorbeizuschauen. Überall auf dem Airport machen auf Glaswände gemalte, wurfgewaltige Waserballer und anmutige Synchnronschwimmerinnen aud das Sportevent aufmerksam. Und im Außenrevier werben Banner mit dem Logo der am Wochenende begonnenen Wettkämpfe. Einzig die Taxifahrer in der Stadt haben noch nicht so recht rausgekriegt, wo sie ihre sportinteressierte Kundschaft denn überhaupt absetzen sollen. Statt zur ersten Entscheidung im Freiwasserschwimmen ging es schonmal irrtümlich zur Sprunghalle der Brett- und Turmkünstler. Und ein anderer setzte die gewillten Zuschauer zwar an der Kasanka ab, einem breiten Nebenfluss der gigantischen Wolga. Doch eben am falschen Ufer. Dort, wo Hochzeitsgesellschaften sich zu Fotoaufnahmen treffen. Die Tribünen gegenüber waren also nicht übervoll an diesem Samstag.

Packendes Rennen 

Die nicht oder zu spät kamen, haben ein wahres Schauspiel verpasst. Erst liefert Rob Muffels ein packendes Rennen. Und danach immitierte er im Überschwang seiner Gefühle Diskus-Ass Robert Harting. Der Magdeburger riss sich seinen Schwimmanzug vom Leib und zerfetzte ihn dabei so, dass er nicht mehr für seinen Einsatz bei der Teamentscheidung zu gebrauchen ist. In diesem Augenblick dachte der 20-Jährige allerdings noch voller Euphorie, die Konkurrenz gewonnen zu haben. Nach fünf Kilometern war er nahezu synchron mit dem Südafrikaner Chad Ho ins Ziel gekommen. Die Anzeigetafel zeigte zuerst den Deutschen auf eins. Und der hatte vorher versprochen: "Wenn ich gewinne, mache ich den Rob Harting." Danach die Korrektur und erst einmal Ernüchterung. "Ich bin zu 99,9 Prozent zufrieden, aber natürlich will man immer gewinnen, ich wollte das auch", sagte er dann auch hinterher. Während der obligatorischen Pressekoneferenz später analysierte er im besten Englisch ganz nüchtern, dass er Gold nicht am Anschlag verloren habe. Es war vielmehr die letzte Gerade. Auf der war er wieder zu weit abgedriftet und hatte deshalb ein bisschen weiter schwimmen müssen als die anderen. Aber immerhin: Zweitbester der Welt, das ist dochauch schon was. "Jetzt bleibt mir das für das nächste mal, Weltmeister zu werden", sagte er. Und umarmte spontan seinen Trainingsgefährten Florian Wellbrock. "Bei seinem zweiten internationalen Rennen wird er gleich WM-Fünfter", lobte der mit 20 Älteste der starken Magdeburger Trainingsgruppe den 17-jährigen Youngster. 

Überraschende Dritte

Zu der Gruppe gehört auch Finnia Wunram. Die 19-Jährige war zuvor auf der gleichen Distanz überraschend Dritte geworden. "Ich weiß auch nicht, was da gerade passiert ist", erzählte sie hinterher immer noch ganz schön geplättet. Etwa 1.000 Meter vor dem Ziel nahm sie auf Posion sechs liegend ihr Herz in beide Hände und zog das Tempo an. Drei Konkurrentinnen holte sie so noch ein. Wahrscheinlich hatte niemand der zierlichen Person dieses Stehvermögen zugetraut. "Ich mir ja eigentlich auch nicht", sagte sie und lächelte verlegen. Die Gefühle fahren gerade Achterbahn mit ihr. Ein bisschen sei sie schon unglücklich darüber, nächstes Jahr bei Olympia wahrscheinlich zuschauen zu müssen - als WM-Dritte. Doch auf den zehn Kilometern, die in Rio auf dem Programm stehen, darf die angehende Abiturientin in Kasan nicht mit um die Tickets kämpfen, andere waren in der Qualifikation schneller. "Mir fehlen einfach noch ein paar Erfahrungen. Sie wisse ja selbst, woran es liegt. Werden die Bedingungen komplizeirter, macht sie noch zu viele Fehler. "Deshalb brauche ich weiter viele, viele Rennen." 

Altersbedingt Unerfahrenheit

Auch Muffels ist seine altersbedingte Unerfahrenheit bei der WM-Qualifkation zuvor im Weltcup auf die Füß gefallen. Sich beim Positionskampf im Wasser durchzusetzen, kann man nunmal nicht im Training üben.  Ebenso wie das Taktieren. Kein Trainer vermag ihm vorher zu sagen, wie er im Riff schwimmen muss. Wie er gegen meterhohe Wellen ankämpfen soll oder gegen starke Strömung. Nur wer solche Klippen zigmal umschifft hat, der kann  dies auch zu seinem Vorteil nutzen. Erfahrung ist in dieser Disziplin Gold wert. Künftig wird Muffels viel Zeit haben,  diese zu sammeln. Denn im Herbst rückt er in die Sportfördergruppe der Bundeswehr ein. Aber natürlich bleibt er seinem Heimtrainer weiter treu. 

Als Bernd Bekhahn 2012 nach Magdeburg ging, war das für den gebürtigen Elmshorner Muffels das Signal, zu folgen. Er schreibt Berkhahn den Löwenanteil seines Erfolges zu.

Gemeinsames Training

Berkahn war vor drei Jahren in Magdeburg für Penionär Bernd Henneberg gekommen, der einst Olympiasiegerin Dagmar Hase oder WM-Medaillengewinnerin Antje Buschschulte groß gemacht hatte. Jetzt gehört unter anderem auch Schmetterling Franziska Hentke zu Berkhahns Schützlingen. Obwohl sie in unterschiedlichen Disziplinen starten, trainieren doch die Freiwasser- und Beckenspezialisten häufig zusammen. Für Berkhahn ist das ein Spagat, zweifellos, denn die Trainingsperiodisierung ist unterschiedlich. Die Trainingsstätten sind es weniger. „Der Großteil unseres Trainings findet im Becken statt“, erklärte Muffels. Im Schnitt zweimal im Monat zieht es sie nur raus ins offene Gewässer. An den Kanal, den Barleber oder Neustädter See. „Da schulen wir vor allem unsere Orientierung“, sagte der Wahlmagdeburger. Also das, was ihm diesmal noch den WM-Titel gekostet hat. 

Traum von Olympia

Den Traum von Olympia 2016 will aber auch Muffels nicht so ohne weiteres aufgeben, selbst wenn sich seine Auswahlkollegen Christian Reichert und Andreas Waschburger jetzt bei der WM für Rio qualifizieren und diese Tür für ihn damit zu ist. Muffels denkt laut über einen zwischenzeitlichen Wechsel ins Becken nach. Dafür muss er nächstes Jahr allerdings starke nationale Konkurrenz hinter sich lassen. Und seinen Hausrekord gleich mal um 15 Sekunden verbessern. Das klingt unglaublich schwer, ist aber nicht unrealistisch. Denn im Becken fühlt er sich schon wegen der Trainingspräsenz nicht fehl am Platz.

Der Dominator der Freiwasserszene in den letzten Jahren, Thomas Lurz traut Muffels jedenfalls zu, irgendwann einmal auf den alles entscheidenden zehn Kilometern den Durchbruch zu schaffen. „Er muss sich durchbeißen“, hatt der gerade zurückgetretene Musterathlet vor der WM gesagt. Am Samstag hatte Lurz vom Magdeburger sogar vorab per SMS Gold eingefordert. Zumindest für ein paar Augenblick hatte er es.  (mz)