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Robert Harting und Christoph Harting Robert Harting und Christoph Harting: Ihre Konkurrenz und die Jahr-danach-These

Von Susanne Rohlfing 10.07.2017, 05:56

Erfurt - Für den Diskuswurf-Olympiasieger ging es darum, sich auf den letzten Drücker noch eine WM-Fahrkarte zu sichern. Und darum, zu beweisen, dass ihm der Schatten des großen Bruders nichts mehr anhaben kann.

Beides war Christoph Harting am Samstag im Erfurter Steigerwaldstadion nicht gelungen. Dennoch stand der 26-Jährige auf den Bänken neben dem Diskusring und klatschte fröhlich für seinen sechs Jahre älteren Bruder Robert, der gerade seinen zehnten Titel bei deutschen Leichtathletik-Meisterschaften gewonnen hatte.

Christoph Harting über Erfolg seines Bruders Robert Harting

„Geil, geil. Als Sportler liebt man ja eine geile Comeback-Story. Das gibt natürlich Gänsehaut“, kommentierte er später den Erfolg des älteren, zuletzt immer wieder von körperlichen Problemen geplagten Harting.

Und zum eigenen Versagen: „Was soll ich jetzt aus der Haut fahren? Der Wettkampf ist vorbei, ich habe alles gegeben, es hat nicht gereicht.“ Es sei ja auch so: „Jeder, der bei Olympia was gerissen hat, da ist die Luft raus. Alle, die es nicht geschafft haben, kommen noch stärker zurück.“

Christoph Harting: Kleiner Seitenhieb auf den großen Bruder

Also doch noch ein kleiner Seitenhieb auf den Bruder, der bei Christophs Olympiasieg in Rio nicht gegenhalten konnte, weil er die Qualifikation wegen eines Hexenschusses nicht geschafft hatte.

Allerdings ist Robert Harting auch der Gegenbeweis zu Christophs „Im-Jahr-danach“-These. Er wurde 2012 Olympiasieger, feierte 2013 seinen dritten WM-Sieg und wurde 2014 Europameister.

Robert Harting: Sein Körper streikte zuletzt immer wieder

Seither streikt sein Körper immer wieder. Doch in Erfurt hatte er die nationale Konkurrenz noch einmal im Griff: 65,65 Meter reichten zum Sieg vor dem Magdeburger Martin Wierig (64,29) und Markus Münch aus Potsdam (62,76).

Christoph Harting landet mit 62,51 Metern auf Rang vier. Seine Jahresbestleistung steht bei 64,13 Metern, die WM-Norm bei 65,00 Metern.

Wer ist bei der WM in London dabei?

Es sieht also ganz so aus, als würde die WM in London Anfang August ohne den amtierenden Olympiasieger im Diskuswerfen stattfinden. Neben Robert Harting hat nur noch Wierig den geforderten Richtwert erreicht. Ein dritter Startplatz wäre somit aber frei. Ein Schlupfloch für Christoph Harting, sollte er in nächster Zeit doch noch die Norm werfen?

Der sagte in Erfurt: „Ich weiß, dass am Mittwoch die Mannschaft benannt wird. Ob es für mich noch ein Hintertürchen gibt, damit habe ich mich nicht beschäftigt. Wenn es nicht gereicht hat, dann hat es halt nicht gereicht. Ich will keine Extrawurst.“

Robert Harting: „Deutsche-Meister-Titel verändern nicht mehr so viel wie früher“

Robert Harting versetzten sein Sieg und die solide Serie von 63- bis 65-Meter-Würfen derweil nicht in große Euphorie: "Deutsche-Meister-Titel verändern ja nicht mehr so viel wie früher“, gab er zu Protokoll.

Sein dauerschmerzendes Knie ist der Tribut, den er für jahrelangen Spitzensport zahlt. Aber bis zur Heim-EM im nächsten Jahr in Berlin will er noch durchhalten. Zum Leistungstief seines Bruders meinte er: „Das gehört alles auch zum Prozess des Lernens dazu.“

Die Brüder Harting: Gelassenheit statt Zoff

So viel und so gelassen haben die Brüder bei den nationalen Titelkämpfen vor einem Jahr nicht übereinander geredet. Da war ihr Zwist ganz frisch. Bis zum vergangenen Jahr trainierten sie gemeinsam.

Robert unterstützte Christoph und erzählte jedem, dass sein sechs Zentimeter größerer kleiner Bruder eigentlich der talentiertere von ihnen sei, auf jeden Fall sei er mit den besseren körperlichen Voraussetzungen ausgestattet.

Robert Harting privat: Hochzeit mit Julia Fischer - ohne Bruder Christoph

Noch vor Olympia war es dann vorbei mit den brüderlichen Gemeinsamkeiten: Bei der Hochzeit von Robert Harting mit seiner Disziplinkollegin Julia Fischer im Herbst war Christoph nicht dabei.

Und der einst gemeinsame Trainer Torsten Lönnefors ist jetzt nur noch für Christoph zuständig. Robert und Julia wechselten zum neuen Bundestrainer Marko Badura.

Robert und Christoph Harting: Wie weit geht ihre Konkurrenz?

„Sicherlich sind wir Brüder, aber im Wettkampf treten wir gegeneinander an, da muss man die Familie auch mal außen vor lassen“, sagte Robert in Erfurt.

Aber muss das auch außerhalb des Wettkampfes sein? „Das Problem ist, dass man sich entschlossen hat, sich getrennt zu konzentrieren, und gut ist.“

Christoph Harting im Leistungstief: Wie geht es weiter?

Robert Harting gelingt das. Christoph Harting ist diesen Beweis in Erfurt schuldig geblieben. Aber Trübsal bläst er deswegen nicht. Zumindest nach außen lässt er Kritik an seinem aktuellen Leistungstief ebenso wenig an sich heran wie die Kritik, die nach seinem Hampel-Auftritt bei der Siegerehrung in Rio über ihn hereingebrochen war.

„Mein Leben besteht nicht nur aus Sport. Ich weiß, das können ganz viele nicht verstehen, doch das ist tatsächlich so“, sagte Christoph Harting. „Aber ich komme zurück.“ (mz)

Robert Harting (l.) und sein Bruder Christoph in Erfurt
Robert Harting (l.) und sein Bruder Christoph in Erfurt
dpa