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Scheidender BVSA-Präsident im Interview Thomas Schaarschmidt: „Demografische Situation ist die größte Herausforderung“

Viele Jahre führte Thomas Schaarschmidt den Landesverband. Nun gibt er das Amt auf. Im MZ-Interview blickt er zurück und spricht von Erwartungen.

Aktualisiert: 09.06.2022, 10:58
Der internationale Schiedsrichter Carsten Straube (r.), hier in einer Diskussion mit Nationalspieler  Johannes Voigtmann, soll neuer Landeschef in  Sachsen-Anhalt werden.
Der internationale Schiedsrichter Carsten Straube (r.), hier in einer Diskussion mit Nationalspieler Johannes Voigtmann, soll neuer Landeschef in Sachsen-Anhalt werden. (Foto: Imago/Bergmann)

Dessau/MZ - Der Ort könnte nicht treffender sein. In seiner letzten Woche als Präsident des Landesverbandes empfängt Thomas Schaarschmidt die MZ dort, wo in den vergangenen Jahrzehnten fast alles entschieden wurde: in den Büroräumen des Basketball-Verbandes Sachsen-Anhalt (BVSA) in Dessau.

Der 46-Jährige scheidet am Sonnabend auf dem Verbandstag in Magdeburg aus dem Amt. Worauf er stolz ist, was er bereut und welche Herausforderungen auf den Sport zukommen, darüber hat sich Thomas Schaarschmidt mit Daniel George unterhalten.

Herr Schaarschmidt, Sie haben Ihre Abschiedsrede doch bestimmt schon vorbereitet. Was werden Ihre letzten Worte als BVSA-Vorsitzender sein?

Thomas Schaarschmidt: Die stehen tatsächlich noch nicht fest, weil ich dazu neige, manche Dinge aufzuschieben (lacht). Ganz sicher werden sie aber von großer Dankbarkeit gekennzeichnet sein, dass ich insgesamt 20 Jahre lang im Vorstand den Job machen durfte und dabei viele tolle Menschen kennengelernt habe. Der Sport ist so viel mehr, als nur auf den Korb zu werfen.

Auf welche Errungenschaft in all den Jahren sind Sie besonders stolz?

Was mir immer am wichtigsten war: Rüberzubringen, dass wir alle in einem Boot sitzen. Vereine, Spieler, Trainer, der Verband. Diese Formulierung können manche nicht mehr von mir hören (lacht). Aber das sachsen-anhaltinische Basketball-Boot ist nicht sehr groß. Wir sind einer der kleinsten Verbände in Deutschland. Wenn du da nicht in dieselbe Richtung ruderst, kommst du auch nicht an. Wir haben es geschafft, dass ein Gemeinschaftsgefühl entsteht. Und wir haben Projekte wie die Schulliga umsetzen können, oder die Stelle eines Koordinators für Verbands- und Vereinsentwicklung geschaffen. Das war wichtig für die Entwicklung des Basketballs in Sachsen-Anhalt.

Was würden Sie im Blick zurück anders machen?

In so einer langen Zeit bleiben Fehlentscheidungen nicht aus, die sind auch mir unterlaufen. Aber das ist wie in einem Basketballspiel: Wenn du 50 Prozent Trefferquote hast, bist du richtig gut. Ich hoffe, dass das bei uns auch so war. Eine Sache, die ich sehr kritisch sehe: Wir hätten den weiblichen Bereich noch mehr stärken müssen. Wir haben zwar in Halle und Osterwieck zwei Zentren, aber es ist uns nicht gelungen, den Mädchenbasketball flächendeckender aufzubauen. Es gibt einfach in Sachsen-Anhalt zu wenig Spielerinnen, Trainerinnen, Schiedsrichterinnen und Funktionärinnen. Diese Vorbilder wären aber auch wichtig, auf und neben dem Feld. Es ist uns nicht gelungen, das auf die Beine zu stellen. Auch bei uns im Vorstand sind noch zu viele Männer. Damit der Verband auch dort weiterkommt, müssen Frauen dort viel mehr vertreten sein. Da hätten wir noch konsequenter etwas auf die Beine stellen müssen.

 Thomas Schaarschmidt, hier bei einem TV-Interview im Januar 2022.
Thomas Schaarschmidt, hier bei einem TV-Interview im Januar 2022.
(Foto: imago/Hartmut Bösener)

Was war die größte Herausforderung in all den Jahren?

Das war und ist die demografische Situation in unserem Bundesland. Wir hatten immer das Problem, dass wir pro Jahr zehn bis 20 Prozent der Mitglieder verloren haben. Aber nicht, weil sie mit dem Basketball aufgehört haben, sondern weil sie schlicht weggezogen sind. Jede Anstrengung, neue Basketballer zu gewinnen, diente also erstmal dazu, den Status Quo zu erhalten. Da ist es schon bemerkenswert, dass es uns gelungen ist, in den vergangenen zehn Jahren zu wachsen. Deutschlandweit sind wir der elftgrößte der 16 Landesverbände. Das ist ordentlich.

Wo steht Sachsen-Anhalts Basketball?

Wir sind ein kleines Bundesland, gemessen an der Bevölkerungszahl, das im Basketball aber trotzdem unheimlich viel erreicht hat. Wir haben in der nächsten Saison in Weißenfels und Halle mit dem Mitteldeutschen BC einen Klub mit einer Herren- und Damenmannschaft in der ersten Liga. Wir haben mit Sandersdorf und Wolmirstedt zwei Klubs in der Pro B. Wir haben mit Andreas Obst einen Nationalspieler aus Halle. Wir haben mit Carsten Straube einen der besten deutschen Schiedsrichter, der aus Zerbst stammt. Darauf können wir stolz sein. Und es gibt überall im Land Zentren, die sich weiterentwickeln wollen. Man muss sich einfach etwas trauen und nicht nur das Bewährte machen.

Was werden künftig die größten Herausforderungen für den BVSA sein?

Früher hat man mit zwölf, 13 Jahren mit dem Basketball angefangen, heute viel früher. Darauf müssen die Klubs mit Angeboten reagieren. Es ist wichtig zu sagen, wofür ein Sport steht, was in ihm lebt, um sich gegen andere Sportarten durchzusetzen. Und es wird ganz wichtig sein, Leuchttürme wie den Syntainics MBC und die Gisa Lions zu nutzen. Dafür müssen wir dankbar sein und sie noch heller strahlen lassen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Basketballs in Sachsen-Anhalt?

Dass die Menschen, die sich ehrenamtlich für den Sport aufreiben, wertgeschätzt werden. Ich habe in all den Jahren so viele Menschen kennengelernt, die alles opfern für den Basketball, ihre Vereine aufbauen und anderen Menschen so viel geben. Das muss jedem klar sein, wenn er in Sachsen-Anhalt eine Halle betritt.

Der von Ihnen bereits angesprochene Carsten Straube will neuer BVSA-Vorsitzender werden. Warum ist er der richtige Nachfolger?

Carsten ist seit nunmehr acht Jahren im Vorstand tätig, wir haben in dieser Zeit eng und vertrauensvoll zusammengearbeitet. Als einer der besten deutschen Basketball-Schiedsrichter und durch seine berufliche Tätigkeit im Landesschulamt Sachsen-Anhalt ist er auf allen Ebenen bestens vernetzt und in der Lage, neue Impulse zu setzen. Und er ist neun Jahre jünger als ich. (lacht)