Fußball im Landkreis Wittenberg Fußball im Landkreis Wittenberg: Schiedsrichter im Lockdown

Dietrichsdorf - Obwohl ihm sein Hobby Nervenstärke und manchmal auch ein taubes Ohr abverlangt, fehlt dem Unparteiischen Julius Weiser der Fußball sehr. Der 22 Jahre alte Maschinenbau-Student aus Dietrichsdorf steht seit 2012 als Schiedsrichter auf dem Platz. Darüber hinaus ist er Ausbilder und Staffelleiter der Kreisliga Nord.
Größe sorgt für Autorität
Seine Karriere fing ganz klassisch als Spieler bei der SG Zahna/Elster an. „Mein damaliger Trainer, der auch selbst Schiedsrichter war, riet mir bei meiner Größe die Ausbildung zum Schiri zu machen“, erinnert sich der mittlerweile zwei Meter große junge Mann. Zusammen mit einem Mitschüler machte er den Schein und gibt zu, dass seine Größe ihm tatsächlich hilft, Autorität auf dem Rasen auszustrahlen.
„Ich war damals noch selbst Spieler. Und Freunde zu treffen war zu der Zeit auch einfach noch viel wichtiger“, fasst Weiser die Ablenkungen zusammen, wegen denen er erst ein halbes Jahr später die ersten Spiele im Bambini- Bereich pfiff. Schnell kamen Spiele der Männermannschaften hinzu, bei denen er als Linienrichter anfing.
Heute leitet er regelmäßig Spiele in der höchsten Liga Sachsen-Anhalts und seit letztem Jahr auch in der Junioren-Bundesliga. Dort führt er Spiele mit so klangvollen Mannschaftsnamen wie RB Leipzig gegen FC Carl Zeiss Jena. Auch wenn es sich bei den Spielern um Sportschüler handelt, ist Weiser von ihrem Können beeindruckt. „Die sind, obwohl erst 17 Jahre, schon eine andere Klasse, körperlich und taktisch sind sie in Topform. Das ist ein anderes Tempo“, so Weiser, der, um mithalten zu können, sich fithalten muss.
In diesem Bereich habe er in dem vergangenen Jahr einen ordentlichen Sprung gemacht. Einmal dadurch, dass er während der Pandemie mehr Zeit zum Trainieren hatte, aber auch weil er sich an den Plan des ihm an die Seite gestellten Fitness-Coach gehalten habe. Sein Credo ist, man muss fit sein. Vor allem für die letzten zehn Minuten eines Spieles. Denn da passieren statistisch die interessantesten Sachen wie Fouls oder Elfmeter. Ohne Fitness lässt die notwendige Konzentration nach.
Vorbild im Landkreis
Wie bei den Fußballern hat auch der 22-Jährige den Traum, einmal in der Bundesliga zu pfeifen. Erstaunlicherweise gehört zu seinen Vorbildern nicht der sechsfache Weltschiedsrichter Pierluigi Collina, sondern Kollegen aus dem Kreis wie Lothar Rolle, von dessen 50-jähriger Erfahrung er immer wieder lernt.
So hat Weiser eine Szene vor Augen, als nach einem Foul sich zwei Spieler verletzten und Rolle dem Verursacher zuredete, dem anderen aufzuhelfen, was nicht nur Beifall, sondern auch Respekt hervorrief. „Von dieser Art von Ansprache schaue ich mir gerne etwas ab“, so Weiser.
Fußballmannschaften sind seiner Meinung nach lediglich ein Abbild der Gesellschaft, und Schiedsrichter zu sein, ist eine Schule fürs Leben, bei der man lernt, mit den unterschiedlichsten Charakteren klarzukommen. Natürlich musste auch er schon mal eine Rote Karte wegen Beleidigung ziehen, aber das war eine absolute Ausnahme.
Die spielfreie Zeit nutz Weiser neben der sportlichen Fitness für Onlineschulungen. In den Lehrgängen werden Szenen analysiert und Regeln aufgefrischt. Da auch den Schiedsrichtern der Nachwuchs Sorgen macht und nicht abzusehen ist, wie viele Schiedsrichter nach dem Lockdown noch dabei sein werden, weist Weiser darauf hin, dass sein Hobby schon lange nicht nur etwas für Jungs ist.
Auch beim letzten Lehrgang war wieder ein Mädchen dabei. „Für Schüler kann das schon interessant sein, denn mit der Aufwandsentschädigung kann man sein Taschengeld aufbessern“, so Weiser, der als Grundvoraussetzungen, Interesse am Fußball und das Mindestalter von zwölf Jahren benennt. „Was zählt, sind Selbstbewusstsein, der Mut, Entscheidungen zu treffen, denn diese können den Verlauf eines Spieles beeinflussen, was auch Verantwortungsbewusstsein mit sich bringt. Aber auch die Stärke, sich durchzusetzen und ganz Simples wie ein höflicher Umgang mit seinen Mitmenschen.“
Den Vereinen schlägt Weiser vor, die spielfreie Zeit dafür zu nutzen, Schiedsrichter in ihren Reihen auszubilden, denn auch die Vereine müssen eine gewisse Anzahl stellen. Weiser ist aktuell bei Rot-Weiß Kemberg. „Vielleicht ist das eine Perspektive für den ein oder anderen Spieler, der die Karriere beenden, aber dem Fußball nicht ganz den Rücken kehren und immer noch dabeibleiben will“, meint Weiser und weist darauf hin, dass der nächste Lehrgang am 12. März startet. (mz)
