Meisterschaft am Donnerstag perfekt? Alles bereit für die Handball-Party: SC Magdeburg kann Geschichte schreiben
Nach 21 Jahren steht der SC Magdeburg wieder vor dem Gewinn der deutschen Meisterschaft. Die Mannschaft von Erfolgstrainer Bennet Wiegert hat alle überrascht.

Magdeburg/SID - Kurz vor der großen Meistersause hängt bei Bennet Wiegert der Haussegen schief. Dürfen die beiden Töchter (10 und 7 Jahre alt) trotz der abendlichen Anwurfzeit mit in die Halle, wenn der SC Magdeburg mit seinem Erfolgstrainer im ersten von drei Matchball-Spielen den ersten Meistertitel seit 21 Jahren erringt?
„Über diese Frage streite ich gerade mit meiner Frau“, berichtet Wiegert im SID-Interview. Ehefrau Christine ist schließlich für die „Hausordnung“ zuständig und verweist „zu Recht darauf“, dass die Kinder am Freitag in die Schule müssen. Doch vieles deutet darauf hin, dass sich Papa Bennet diesmal durchsetzt. „Der Titel wäre schließlich auch ein Verdienst meiner Familie“, sagt er: „Sie hält mir den Rücken frei und auch meine schlechte Laune am Abendbrotstisch aus, wenn es mal nicht so läuft.“
SC Magdeburg düpiert die Top-Teams aus Kiel und Flensburg
Die Anekdote aus dem Wiegertschen Familienleben sagt viel aus über den Mann, der mit seinem Team im Heimspiel gegen Balingen am Donnerstagabend (19.05 Uhr/Sky) höchstwahrscheinlich deutsche Handball-Geschichte schreiben wird. Monatelang hat Wiegert alles dem Sport untergeordnet, düpierte in der Liga mit einer Mischung aus harter Arbeit und wilder Entschlossenheit die Top-Teams aus Kiel und Flensburg - um die Ernte nun vor seinen Liebsten in der heimischen Getec-Arena einzufahren.
Der Konkurrenz, die angesichts der jüngsten und schmerzhaften Niederlage im Europacup-Endspiel (39:40 in Lissabon) nun womöglich auf ein Magdeburger Zitterhändchen hofft, erteilt Wiegert eine Absage. „Daraus wird nichts“, so der 40-Jährige: „Wir haben es die ganze Saison nicht bekommen, und werden es auch jetzt nicht kriegen.“ Der SCM, das sagt Wiegert voller Überzeugung, wolle nun „ernten“ und sich „belohnen“.
Verdient hätten es die Grün-Roten allemal. 55 Pflichtspiele absolvierte Magdeburg in dieser (Wiegerts siebter) Saison als SCM-Coach bereits - und verlor davon gerade einmal vier. Zwei Mal in der Bundesliga sowie das Finale im DHB-Pokal gegen Kiel und das Endspiel in der European League am Sonntag.
SCM-Erfolgscoach Bennet Wiegert sorgt sich um seine „Work-Life-Balance“
Die Gefühlswelt zwischen derart schmerzhaften Niederlagen auf der einen und der sagenhaft erfolgreichen Bundesliga-Saison auf der anderen Seite, das betonte Wiegert am Dienstag, sei „schwierig“ zu beschreiben. Es sei „viel los“ in seinem Herzen. Das Life „in meiner 'Work-Life-Balance' bleibt momentan auf der Strecke. Dabei ermahnt mich meine Frau schon immer.“
Wiegert, der Spiritus Rector des Magdeburger Höhenflugs, ist ein Perfektionist. Als in der Öffentlichkeit viele bereits nach der Hinrunde vom Titel sprachen und den Coach auf den Spuren des großen Alfred Gislason wähnten, jenem Trainer also, der den Traditionsklub 2001 zur bis dato letzten Meisterschaft geführt hatte, ließ sich Wiegert nicht locken. Und auch die gefährliche Phase nach der Pokalniederlage gegen Kiel durchschiffte der SCM souverän.
Magdeburg bereitet sich auf riesige Handball-Party vor
Drei Spieltage vor dem Saisonende liegen die Magdeburger, die vergangene Saison noch 15 Punkte hinter Kiel und Flensburg auf Platz drei abgeschlossen hatten, sechs Punkte vor Kiel. Die ganze Stadt bereitet sich auf eine riesige Party vor. „Wir können es alle noch gar nicht begreifen, was wir hier gerade erleben“, sagt Wiegert.
Dass er nun tatsächlich in Gislasons Fußstapfen tritt, hätte Wiegert nicht für möglich gehalten, als er 2015 den Trainerjob bei seinem Heimatklub antrat. „Ich hätte es mir ehrlich gesagt für die nächsten 15 bis 20 Jahre nicht vorstellen können“, sagt Wiegert. Final-Four-Turniere seien „etwas anderes“, da gehe es um Tagesform, das Heimrecht oder auch mal das Losglück. „Doch die Meisterschaft? Das ist der Wahnsinn.“