RB-Leipzig-Keeper Gulacsi RB-Leipzig-Keeper Gulacsi: "Diese Gegentore hätte ich verhindern können"

Lagos/Portugal/Leipzig - Torhüter Peter Gulacsi war zu Beginn der Saison einer der Stabilisatoren bei RB Leipzig. Der Ungar fiel nicht durch spektakuläre Paraden auf, sondern durch viel Ruhe und Stabilität. Nach zuletzt zwei Patzern gegen Bayern München und im Testspiel gegen Ajax Amsterdam musste sich der Nationaltorhüter auch Kritik gefallen lassen. Zum Ende des Trainingslagers in Portugal sprach Gulacsi über seine Qualitäten, Fehler, den Konkurrenzkampf im Tor und gab Einblicke in das Torwarttraining bei RB Leipzig, seine mentale Vorbereitung auf Spiele und seine Ziele für die verbleibenden 18 Bundesligaspiele. „In der Rückrunde will ich noch eine Schippe draufpacken”, sagt Gulacsi.
Herr Gulacsi, wie fällt Ihre Trainingslagerbilanz aus?
Peter Gulacsi: Wir haben in diesem Jahr viel weniger Zeit als in der vergangenen Saison, um uns auf die Rückrunde vorzubereiten. Da muss man in eine so kurze Vorbereitung viel hineinpacken. Das war auch für mich neu. Ob die Vorbereitung dann wirklich erfolgreich war oder nicht, kann man erst nach dem ersten Spiel gegen Frankfurt sagen. Natürlich ist das Testspiel gegen Ajax nicht so gelaufen, wie wir das wollten. Aber auch daraus werden wir Erkenntnisse ziehen. Insgesamt ist wichtig, dass wir fußballerisch und physisch wieder auf das Niveau der Hinrunde kommen.
Und speziell im Torhütertraining?
Gulacsi: Freddie (Torwarttrainer Frederik Gößling, Anm.d.Red.) hat gesagt, dass wir keine Zeit zu verlieren haben, sodass wir vom ersten Tag an Vollgas gegeben haben. Wir versuchen immer, in allen Bereichen des Torwartspiels noch ein Stück draufzulegen. Und so kommt langsam auch bei uns Torhütern wieder diese Form, die wir brauchen, um an das hohe Niveau der Hinrunde wieder anzuknüpfen.
Was zeichnet das Torwarttraining bei RB Leipzig aus?
Gulacsi: Freddie trainiert uns sehr modern, sehr spielorientiert. Er baut viele Spielsituationen in das Training ein, sodass wir auch ständig damit konfrontiert werden, Entscheidungen zu treffen. Das ist für Torhüter sehr wichtig. Es gibt in einem Spiel vielleicht sechs, sieben Situationen, in denen man wirklich eingreifen muss und den Ball berührt – eine Flanke abfangen, oder einen Ball halten. Aber es gibt etwa 50 bis 100 Situationen, in denen man eine Entscheidung treffen muss, ob man herauslaufen oder wegbleiben muss. Diese situativen Entscheidungen üben wir sehr intensiv.
Welche Situationen liegen Ihnen besonders, welche nicht?
Gulacsi: Ich habe noch Entwicklungspotenzial in jedem Bereich, bin dauerhaft mit nichts zufrieden, diese Haltung muss man als Torhüter immer haben. Ich will noch bessere Reaktionen auf der Linie haben, noch besser beim Herauslaufen und noch stärker in der Fußabwehr werden. Das ist auf diesem Niveau nicht einfach, aber das ist unser Ziel. Es gibt keinen Bereich, in dem ich ausgelernt habe. Darüber kommunizieren wir auch innerhalb der Torhütergruppe viel, besprechen häufig Stärken und Schwächen. Aber das ist keine Spezialität der Torhüter, sondern des gesamten Vereins. Wir analysieren alles, arbeiten sehr detailliert und akribisch.
Wie schwer ist es für Sie und Ihre Kollegen, dass Sie viele Trainingsinhalte separat abseits des Teams absolvieren müssen?
Gulacsi: Ich finde das nicht schwer, weil wir den Rest des Tages auch mit den anderen zu tun haben. Und innerhalb der Torwartgruppe passt es auch zwischenmenschlich von den Persönlichkeiten her. Wir haben eine gute Stimmung, da gibt es keine Probleme. Ich finde es wichtig, dass wir uns gegenseitig pushen und fordern wollen. Dazu gehört natürlich auch, dass alle Drei das Ziel haben zu spielen. Das bringt uns nach vorn. Keiner von uns kommt locker ins Training, sondern will zeigen, dass er besser ist als die anderen Zwei. So muss es auch sein.
Spüren Sie, dass der Konkurrenzkampf um die Nummer eins im Tor wieder eröffnet ist?
Gulacsi: Jeder von uns will einfach jeden Ball im Training halten. Das zeigt, dass Fabio Coltorti und Marius Müller beide sehr motiviert sind. Ich habe das in der vergangenen Saison auch so gemacht, als ich auf meine Chance gewartet habe. Konkurrenzkampf in der Torhütergruppe ist ganz normal.
Haben Sie eine Garantie vom Trainer, dass Sie auch in der Rückrunde die Nummer eins sind?
Gulacsi: Die habe ich nicht. Vor der Saison hat mir der Trainer bestätigt, dass ich die Spielzeit als Nummer eins beginne. Aber ob man diese Position halten kann, hängt dann auch immer von der folgenden Leistung ab. Ich wollte einfach souverän und sauber in die Bundesliga reinkommen. Jetzt habe ich eine halbe Saison Erfahrung, will mich weiterentwickeln, der Mannschaft noch mehr geben.
Was hat Ihre Analyse der Hinrunde ergeben?
Gulacsi: Am Wichtigsten war, Stabilität zu zeigen, wenn man in eine Liga neu hineinkommt. Das war das Fundament für unser Spiel. Natürlich gibt es immer ein, zwei Tore, die man hätte verhindern können.
Welche?
Gulacsi: Die Gegentore gegen Freiburg und der Elfmeter gegen Bayern. Das hätte ich besser lösen müssen. Das ist die Herausforderung, dafür spielen wir in einer der besten Ligen der Welt.
Hat es Sie nach Ihrer starken Hinrunde gewurmt, dass Sie ausgerechnet gegen den FC Bayern patzen und von Ralf Rangnick kritisiert wurden?
Gulacsi: Ich hatte vor der Saison das Ziel, die gesamte Hinrunde ohne Fehler und Patzer zu absolvieren. Das ist nicht leicht. Aber das übergeordnete Ziel, Souveränität und Stabilität auszustrahlen, habe ich in der Hinrunde erreicht. In der Rückrunde will ich jetzt noch eine Schippe draufpacken – das ist auch realistisch, denke ich.
Ist Ihnen ein solcher Patzer wie im Test gegen Ajax Amsterdam schon einmal unterlaufen?
Gulacsi: Das hatte zwei Ursachen. Erstens war mein erster Kontakt schlecht, und zweitens hatte ich den gegnerischen Stürmer nicht ganz genau im Blick, dass er so durchläuft und den Passweg zugestellt hat. Ich kann mich nicht erinnern, schon einmal einen solchen Fehler gemacht zu haben. Gottseidank ist das in einem Testspiel passiert. So kann ich daraus lernen und etwas mitnehmen.
Verunsichert Sie die Szene nicht?
Gulacsi: Wie gesagt, ein solch klarer Aussetzer ist mir bislang noch nicht mal im Training unterlaufen. Aber das kann ich dennoch schnell abhaken, das ist kein Problem für mein Selbstvertrauen wird mich nicht verunsichern, sondern meine Sinne schärfen. Mit dem Fuß war ich sonst immer sehr sicher.
Wie wichtig ist Mentaltraining für Torhüter?
Gulacsi: Für Torhüter ist es eine der wichtigsten Qualitäten, mental stabil zu bleiben. Ich habe schon in Salzburg, als ich aus Liverpool kam und plötzlich viele Spiele gemacht habe, im mentalen Training viele Dinge über mich gelernt und darüber, wie ich mit Fehlern oder guten Spielen umgehen sollte. Da habe ich viel mitgenommen. Jetzt mache ich in diesem Bereich deutlich weniger als damals, weil ich das jetzt nicht mehr so sehr brauche. Aber ich bin immer offen für Neues – auch hinsichtlich des Mentaltrainings.
Was haben Sie konkret gelernt?
Gulacsi: Wir haben viel mit Visualisierung vor bestimmten Handlungen gearbeitet. Oder: Wie kann man das optimale Konzentrationslevel vor Spielen erreichen, auch wenn man vielleicht mal etwas müde ist oder wenig Zeit zur Regeneration da war? Das Wichtigste ist das Vertrauen in sich selbst zu erlangen, dass man dieses angestrebte Konzentrationslevel auch tatsächlich erreicht. Beim Anpfiff muss dieses Level da sein. Um das zu schaffen, gibt es verschiedene Techniken.
Was ist Ihr Ziel in dieser Saison für Sie persönlich und mit dem Team?
Gulacsi: Wir wollen als gesamtes Team den Weg beibehalten, den wir in der Hinrunde eingeschlagen haben. Ich persönlich will mindestens auf dem Niveau weiterspielen, das ich bisher hatte. Ich will in der Rückrunde sauber bleiben, ohne Fehler, stabil. Darüber hinaus würde ich gern noch in einigen spielentscheidenden Situationen meine Qualitäten zeigen, durch die wir am Ende ein oder drei Punkte gewinnen können.
Und darüberhinaus?
Gulacsi: Weiter als bis zum Ende der Saison zu schauen, macht keinen Sinn. Fußball ist ein verrücktes Business. Ich konzentriere mich immer auf die Wahrheit und Realität, auf das, was ich beeinflussen kann. Ich habe das in den vergangenen 26 Jahren so gehalten, und werde das auch jetzt nicht ändern. (mz)