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Exklusiv-Interview Ralph Hasenhüttl von RB Leipzig: Trainer gibt Einschätzung zum Stand von RBL vor dem Pflichtspielauftakt

Von Maritn Henkel 12.08.2016, 20:44
Ralph Hasenhüttl gibt bei RB Leipzig die Richtung vor. Und eine Einschätzung über den Stand seiner Mannschaft vor dem DFB-Pokal-Spiel gegen Dresden und den Bundesligaauftakt.
Ralph Hasenhüttl gibt bei RB Leipzig die Richtung vor. Und eine Einschätzung über den Stand seiner Mannschaft vor dem DFB-Pokal-Spiel gegen Dresden und den Bundesligaauftakt. imago sportfotodienst

Leipzig - In der kommenden Woche startet Bundesliga-Aufsteiger RB Leipzig mit dem Pokalduell gegen Dynamo Dresden in die Saison. Trainer Ralph Hasenhüttl spricht im MZ-Gespräch über seine Erwartungen und seine Philosophie als Trainer. Martin Henkel sprach mit ihm.

Herr Hasenhüttl, RB Leipzig und Sie haben acht Tage Trainingslager hinter sich. Am Sonntag treffen sie bei der Saisoneröffnung auf Betis Sevilla. Danach beginnt der Ernst der Saison: erst Dynamo Dresden im Pokal, danach der Ligaauftakt gegen Hoffenheim. Worauf kommt es in diesen Partien an, immerhin sind das die ersten in der Geschichte RB Leipzigs als Bundesligist?

Hasenhüttl: Das Spiel gegen Dynamo wird ein richtig guter Test. Dort gilt es zu bestehen. Und danach wird es wichtig sein, den eigenen Stil durchzudrücken und dem Gegner aufzuzwingen. Sich nicht zu verstecken und mutig zu bleiben. Wir werden immer voll auf Sieg spielen, egal gegen welchen Gegner. Und wenn mal Niederlagen passieren, dann heißt das für die Mannschaft auch, daran zu reifen.

Sie haben den Sprung von der zweiten in die erste Liga mit dem FC Ingolstadt schon hinter sich, der Großteil ihrer neuen Mannschaft nicht. Was wird auf sie zukommen?

Hasenhüttl: Der größte Unterschied ist der, dass man Woche für Woche auf Top-Mannschaften trifft, die auch ein vielfältiges taktisches Repertoire haben. Auch für mich als Trainer war es letztes Jahr in dieser Hinsicht interessanter als noch in der zweiten Liga. Man misst sich mit den besten Trainern und Spielern in Deutschland. Zudem wird auch unser Team und unsere Spielweise noch genauer analysiert werden, um Lösungen dagegen zu finden. Das zwingt einen, sich immer wieder weiterzuentwickeln und neu auf jeden Gegner einzustellen. Und natürlich hat man es mit Gegenspielern zu tun, die wesentlich mehr fußballerische Qualität haben.

RB ist ein Bundesliga-Neuling, und dennoch spricht niemand im Verein von Abstieg. Bemerkenswerterweise.

Hasenhüttl: Wir formulieren es nur anders. Wir wollen so schnell wie möglich die 40 Punkte holen. Und deswegen kommt das Wort bei uns nicht vor. Aber klarerweise geht es bei jedem Aufsteiger darum, sich erst einmal in der höchsten Liga zurecht zu finden und zu etablieren. Ich glaube schon, dass wir so bescheiden und demütig sind, um zu wissen: Jetzt kommt die Bundesliga! Das ist eine andere Hausnummer. Aber man muss sich auch nicht kleiner machen, als man ist.

Ihr Kader ist mit 23,7 Jahren einer der jüngsten der Bundesliga-Geschichte. Sie trainieren ihn seit vier Wochen. Wie finden Sie die Mannschaft bisher?

Hasenhüttl: Die Mannschaft ist, wie ich sie erwartet habe: sehr lernbereit, sehr fokussiert. Wir haben viel, viel Potenzial. Und ich kann jetzt schon einschätzen, dass mit ihr einiges möglich sein wird.

Die fehlende Erfahrung spielt keine Rolle?

Hasenhüttl: Die Jungs sind für ihr Alter schon sehr weit. Die heutige Generation junger Fußballer hat das große Glück, bereits mit sehr guten Trainern im Nachwuchsbereich gearbeitet zu haben. Dementsprechend ist es nicht überraschend, dass sie sehr früh über sehr viel taktisches Wissen verfügen. Das erleichtert unsere Arbeit im Profi-Bereich sehr.

Welche Freiheiten lassen Sie Ihren Spielern?

Hasenhüttl: Sehr viele, vor allem bei Ballbesitz. Wir versuchen, sie mit unseren Vorgaben in Positionen zu bekommen, in denen sie diese Freiheiten dann ausleben können. Sie sind nicht gezwungen, diesen oder jenen Pass zu spielen. Ich halte nichts davon, Spieler in ein Schema zu pressen.

Wo endet die Freiheit?

Hasenhüttl: Ganz klar im Spiel gegen den Ball. Es ist wichtig, bei gegnerischem Ballbesitz die jeweiligen Räume schnell zu schließen. Und zwar im Verbund. Dafür ist ein bestimmtes, starres Verhalten notwendig. Sagen wir: Automatismen.

Sie waren vor Ihrer Karriere als Trainer selbst Spieler - Graz, Austria Wien, Salzburg, Mechelen, Lierse, Köln, Greuther Fürth, Bayern Amateure. Was ist der größte Unterschied zu früher?

Hasenhüttl: Sicherlich die Einstellung zum Beruf. Allein die Dichte an sehr guten jungen Spielern ist so hoch, dass du keine Chance hast, da mit zu halten, wenn du nicht entsprechend lebst. Ich sehe das bei meinem eigenen Sohn. Wie fokussiert er auf seine Entwicklung ist. Das war ich früher bei weitem nicht.

Sie lassen Ihre Mannschaften bevorzugt Gegenpressing spielen, einer Art Schwarmanlaufen des Gegners bei dessen Ballbesitz, in Verbindung mit überfallartigem Konterspiel bei Balleroberung. Ajax Amsterdam und die Niederlande in den Siebzigern haben so in Ansätzen gespielt. Und in Vollendung der FC Barcelona unter Pep Guardiola und Borussia Dortmund unter Jürgen Klopp. Wer oder was hat sie inspiriert?

Hasenhüttl: Aus den Siebziger wirst du heute nicht mehr so viel mitnehmen können. Das Tempo war damals ein anderes. Um ein Tor zu schießen, brauchst du ein bisschen Raum und ein bisschen Zeit. Gibst du dem Spieler beides nicht, wird’s für ihn schwierig. Heute werden auch die Ballbesitzzeiten immer kürzer.

Gibt es Menschen, die den Trainer Ralph Hasenhüttl beeinflusst haben?

Hasenhüttl: Natürlich, man hört sich immer alles an und versucht, von Persönlichkeiten zu lernen. Unterm Strich ist das, was du darstellst die Summe dessen, was deine Umgebung aus dir macht. Wer daher mit offenen Sinnen durch die Welt geht, lernt viel, nimmt viel mit und entscheidet dann selber, was er für sich und seine Arbeit mitnimmt.

Welche Spielertypen es für Hasenhüttls Spiel braucht und was er zur Kritik am Ingolstädter Spiel sagt

Gegenpressing bedeutet unter anderem, den Gegner in Panik zu versetzen, zu Abspielfehlern zu zwingen, um schnell in Ballbesitz und Kontersituation zu kommen. Wie aber schützen Sie sich selbst vor dieser Taktik der Gegner?

Hasenhüttl: Es gibt risikoreiche und risikoarme Möglichkeiten. Den Ball wegzuschlagen oder schnell lang zu spielen, ist als Gegenmaßnahme ideal, weil ich dadurch gar nicht erst in solche Situationen komme. Eine andere Option ist, sich heraus zu kombinieren. Aber das ist natürlich riskanter. Da darf nichts schief gehen, sonst fängst du dir umgehend einen Konter ein. Vor allem gegen Top-Mannschaften muss man da ständig auf der Hut und hochkonzentriert sein.

Welchen Spielertypen braucht es dafür?

Hasenhüttl: Du brauchst Spieler, die gedankenschnell sind und Situationen antizipieren können. Nicht jeder bringt diese Fähigkeiten mit.

Wie ist das bei ihrem Schlüsselspieler vor der Abwehr, Salzburg-Zugang Naby Keita?

Hasenhüttl: Naby ist so ein Typ, den man als Trainer lieben muss. Er ist immer gut gelaunt und hat ein Lächeln auf den Lippen. Als Spieler ist er hervorragend und hat große Qualitäten, gerade bei der Spieleröffnung. Aber er ist erst seit vier Wochen bei uns. Wir dürfen ihn nicht mit Erwartungen überfrachten und müssen ihm auch ein wenig Zeit geben.

Häufig müssen sich Trainer entscheiden: Passe ich die Mannschaften meinen Vorstellungen an? Oder meine Ideen der Realität? Wie ist das bei Ihnen?

Hasenhüttl: Ich halte nichts davon, Spielern starr meine Ideen aufzuzwängen. Ich arbeite immer mit den Stärken und Eigenschaften der Mannschaften, die ich trainiere. Und überlege mir dann die besten Methoden, um das Optimum herauszuholen.

Nach Spielen mit Ingolstadt vergangene Saison fielen bei manchen Gegnern die Wörter „ekliger Fußball“, „Gelaber“ oder „Palaver“. War das Teil ihrer Anpassung an die Qualitäten Ingolstadts?

Hasenhüttl: Sie meinen den HSV und Gladbach. Da war sicherlich auch einfach ein Stück weit Frust dabei. Gladbach hatte zuvor sieben Spiele nicht verloren. Und wenn du dann vor heimischer Kulisse gegen einen Aufsteiger nur ein schmeichelhaftes 0:0 schaffst, dann ist diese Reaktion doch auch verständlich.

Mit welchen drei Wörtern würden Sie ihre neue Mannschaft beschreiben?

Hasenhüttl: Nur drei?

Gern auch fünf.

Hasenhüttl: Okay, vier: lauffreudig, lernwillig, mutig und gut.

(mz)