Kommentar Kommentar: Platzreife für die 1. Liga

Leipzig - Rani Khedira leistete sich nach RB Leipzigs 3:0-Triumph gegen Union Berlin eine kurze Träumerei. „Wenn wir so konzentriert bleiben wie heute und weiter so spielen, kann es mit dem Aufstieg schneller gehen, als man denkt”, sagte der 22-Jährige, um sich gleich im nächsten Satz selbst zu reglementieren. „Aber soweit dürfen wir nicht denken. Wir müssen ruhig und unaufgeregt weiterspielen.” Darauf angesprochen, ob der souveräne und phasenweise begeisternde Auftritt gegen das bis dahin beste Rückrundenteam bereits bundesligareif gewesen sei, lächelte Khedira verschmitzt. „Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg dahin.”
Es gehört zur Strategie bei RB Leipzig, den ersehnten Aufstieg öffentlich nur defensiv zu thematisieren. „Ich habe manchmal den Eindruck, es seien nur noch zwei, drei Spiele zu absolvieren”, hatte sich Abwehrspieler Willi Orban vor dem Duell gegen Union mokiert. Dabei sei noch ein langer Weg zu gehen. Doch auch wenn RBL offensichtlich gut mit der Von-Spiel-zu-Spiel-Denke fährt; dass RB nur noch vom Aufstieg abzubringen ist, wenn zehn Spieler gleichzeitig ausfallen, die Kicker das leere Tor nicht treffen und Trainer Ralf Rangnick in jeder zweiten Partie ein Wechselfehler unterläuft, ist augenfällig. Wenn es gut für RB läuft, könnte der Aufstieg bereits Ende April fix sein.
Es gibt eine ganze Reihe von Indizien, die belegen, dass Rasenballsport nicht mehr zu stoppen sein wird. Da ist zum einen die spielerische Dominanz, die RB mittlerweile konstant über ein gesamtes Spiel hinweg aufrecht erhalten kann. Höhepunkt der Überlegenheit war die Partie gegen Union Berlin, als die Gäste keine einzige Torchance hatten. Selten war die Sportphrase vom Einbahnstraßen-Fußball treffender. Zweitens findet das Team immer mehr kreative Lösungen in der Offensive. Die Laufwege sind abgestimmter und die individuelle Klasse der RBL-Kicker zeigt sich nicht vornehmlich in Einzelaktionen, sondern als Elemente choreografierter Angriffsaktionen – als Gesamtkunstwerk sozusagen. Dazu sind bis auf wenige Ausnahmen viele Spieler in guter bis bestechender Verfassung. Kapitän Dominik Kaiser beispielsweise hat in den vergangenen Partien noch einmal deutlich an Effektivität zugelegt. Lediglich im Sturmzentrum fällt das ansonsten homogene Leistungsniveau des Teams derzeit leicht ab, da Davie Selke weder Form noch Selbstvertrauen hat und auch Yussuf Poulsen trotz seines Treffers gegen Union noch Steigerungspotenzial hat. Verletzungen wie jene von Torhüter Fabio Coltorti, Linksverteidiger Marcel Halstenberg oder Sechser Stefan Ilsanker steckt das knapp 40 Millionen Euro teure Team inzwischen problemlos weg. Alles andere wäre angesichts der Qualität der Spieler auch eine Enttäuschung. Doch nach der holprigen Startphase bringen die Kicker ihre Favoritenstellung auch konsequent auf den Platz. Und trotz vermehrter „long-face-days” für die millionenschweren Jungstars wie Atinc Nukan und Davie Selke oder des starken, aber wenig eingesetzten Nils Quaschner ist die Stimmung in der Mannschaft offenbar so gut wie auf Klassenfahrt.
Und dann wäre da noch der Respekt der Gegnerschaft, der von Sieg zu Sieg steigt. Selbst bei Niederlagen wie zuletzt auf St. Pauli rühmen die Kontrahenten das erstligareife Spiel der Leipziger. Unions Trainer Sascha Lewandowski sagte: „Wie RB Leipzig sein Spiel umsetzt, das ist guter Erstliga-Fußball.” Er selbst bezifferte die Chance, dass sein Team in Leipzig gewinnt, ähnlich hoch wie im Pokal bei einem Vergleich zwischen Erst- und Zweitligisten. Und tatsächlich wird der Klassenunterschied zwischen RB und den Gegnern in vielen Spielen immer offensichtlicher. Rani Khedira hat es treffend formuliert: Agiert RB weiterhin so überlegen wie nach der Winterpause gegen Braunschweig, St. Pauli und Union und vollstreckt dabei so effektiv wie gegen die Berliner, könnte es schneller gehen als man denkt mit dem Aufstieg. (mz)